Freitag, 22. April 2011

Osterüberraschung im Ostertal

Osterüberraschung im Ostertal

Ein Märchen von Bernard Bonvivant

Frieda sammelte die Eier in den Weidenkorb und er war bald randvoll gefüllt. Ihr Herz hüpfte vor Freude, es würde viele Ostereier geben, Eierlikör und eine Menge Kuchen konnte sie backen und nicht zu vergessen ihr berühmter Eiersalat. Zufrieden machte sie sich auf den Weg zu ihrem Haus. Sie pfiff ein lustiges Lied. Plötzlich stolperte sie auf dem Weg und fiel auf den Boden, der Weidenkorb entglitt ihren Händen und die Eierpracht ergoss sich auf den Boden.

Alle Eier waren kaputt und nun floss das Eiweiß vermischt mit dem Eigelb über den Gartenpfad. Frieda setzte sich in das Gras und schaute verzweifelt auf die Bescherung. Tränen kullerten die Wangen herab.

Um die Ecke kam Otto auf seinem Fahrrad sitzend, gleich einem Pfeil geschossen und stoppte kurz vor dem Eiermatsch. „Ach her je, das ist aber kein schöner Anblick!“ Frieda weinte nun hemmungslos und schluchzte. „Damit ist Ostern ins Wasser gefallen! Wo soll ich jetzt neue Eier herbekommen?“

Otto stellte sein Fahrrad auf dem Weg ab, setzte sich neben Frieda und nahm sie tröstend in den Arm. „Frieda, Schwesterchen, wer wird da so verzweifelt sein? Für alles gibt es eine Lösung.“ Frieda schüttelte den Kopf. „Jungs haben immer nur dumme Sprüche auf Lager.“ Otto nahm es ganz gelassen. „Wieso? Ich besorge dir ganz schnell neue Eier.“ Die Schwester tätschelte seinen Arm. „Du Großmaul! Heute ist Gründonnerstag, da kriegst du nirgends mehr frische Eier!“ Otto ganz bei seiner Ehre gepackt, meinte dazu nur. „Du wirst schon sehen, ich bekomme Eier.“ Frieda sagte zweifelnd. „Daran kannst nur du Osterhase glauben. Viel Spaß beim Eiersuchen.“

Otto schnappte sich den Weidenkorb, befestigte ihn auf dem Gepäckträger seines Rades und machte sich auf die Socken. Auf dem ersten Bauernhof lächelten sie ihn mitleidig an, der zweite Bauer lachte ihn schallend aus und der dritte Bauer zeigte ihm seine leeren Hände. Am Ende des Dorfes lag der Hof vom alten Ludger. Normalerweise traute sich hier kein Mitbewohner des Ortes hin. Der alte Bauer begrüßte seine Gäste mit der Schrotflinte in der Hand. An diesem Tag arbeitete er in seinem Bauerngarten mit dem Spaten in der Hand. Er blickte kurz auf, um zu schauen, wer da ungefragt mit seinem Fahrrad auf seinen Hof fuhr. Dann zog er sein Taschentuch aus der Hosentasche und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Wenig freundlich murmelte er. „Was willst du Langohr von mir, du Lümmel von der anderen Seite des Tals? Soll ich dir deine Eselsohren noch länger ziehen?“ Otto sprach mutig. „Ich habe keine Eselsohren!“ Ludger entgegnete. „Du musst Eselsohren haben, weil du ein Esel bist, kein normaler Bewohner dieses Tales würde es wagen meinen Hof zu betreten. Alle haben Angst vor meiner Schrotflinte.“ Otto hatte nicht die geringste Lust auf eine lange Auseinandersetzung und so erzählte er ohne Punkt und Komma, die ganze Geschichte. Ludger hingegen hörte aufmerksam zu. Er kratzte sich am Hinterkopf und meinte. „Weißt du mein Junge, die Angelegenheit ist sehr ernst und Ostern ohne Eier, das ist einfach undenkbar. Leider habe ich auch keine Eier mehr, ich wüsste aber wer noch Eier im Überfluss hat.“ Otto war sprachlos und seine Knie wurden weich. Ludger sprach derweil weiter. „Tief im Wald auf einer Lichtung steht die Hütte des Meisters Reineke. Der üble Schurke hat in den letzten Tagen viele Eier aus unserem Ort getragen. Er versteckt sie in seiner Hütte. Du solltest ihn um die Eier bitten, sei aber vorsichtig, der Kerl ist mit allen Wassern gewaschen.“

Otto setzte sich auf sein Fahrrad und radelte in den Wald, über die Hauptwege, die Nebenwege und Trampelpfade gelangte er zu der Lichtung. Reineke lag gemütlich in einem Liegestuhl vor seiner Hütte und hob kurz den Kopf. „Schau an! Schau an! Der Otto hat sich wohl verfahren. Soll ich dir Fersengeld geben?“ Mutig stieg Otto von seinem Fahrrad ab und sprach. „Nein! Gib mir lieber die Eier, welche du in deiner Hütte versteckt hast.“ Reineke hob seinen Kopf an und blickte mit großen Augen auf den Jungen. „Wie kommst du zu der Annahme, ich würde in meiner Hütte Eier verstecken? Blödsinn! Was soll einer wie ich schon mit Eiern anfangen.“ Otto hatte die Nase voll und so erzählte er ohne Komma und Punkt, seine Geschichte. Reineke erhob sich von seinem Liegestuhl und überlegte. „Für das Ostertal bedeutet es eine Katastrophe, wenn Frieda an Ostern keine Eier färbt, keinen Eiersalat macht, es keinen Eierlikör gibt und an die feinen Backwaren will ich schon gar nicht denken.“ Otto atmete auf. „Dann ist ja alles klar!“ Er nahm seinen Weidenkorb und hielt ihn dem Meister Reineke unter die Nase.

Der hob seine Hände abwehrend und meinte. „Nicht so schnell, mein junger Freund, für mich muss bei dem Geschäft auch eine Rendite herausspringen. Habe ich keine Eier zu Ostern, so möchte ich wenigstens eine Gans. Bringst du mir die Gans, gebe ich dir die Eier, so macht man Geschäfte.“

Otto stöhnte mächtig. – Wo nimmt er eine Gans her, wen nicht sogar stehlen? –

Er setzte sich auf sein Rad und fuhr über die Trampelpfade, die Nebenwege über die Hauptwege zurück in das Dorf. An jedem Haus hielt er an, doch niemand gab ihm freiwillig eine Gans und schon gar nicht für Meister Reineke. In seiner Verzweiflung hielt er am Dorfteich an und setzte sich auf eine Bank, blickte griesgrämig auf den Teich und murmelte. „So ein Pech aber auch, jetzt ist Ostern wohl doch gelaufen.“

Die Fee Mariechen hörte seine Worte und setzte sich neben ihn. „Hallo mein Freund, was hast du für Probleme an einem solch schönen sonnigen Tag.“ Otto erzählte seine Geschichte und es sprudelten die Worte aus ihm hervor, einem Wasserfall gleich. Am Ende lächelte ihn Mariechen an. „Währest du gleich zu mir gekommen, ich hätte dir sofort geholfen. Eine Gans, das ist doch kein Problem. Die kannst du von mir bekommen. Folge mir.“

Staunend folgte Otto der Fee in einen Schuppen und dort hing tatsächlich eine Gans an einem Balken. Die Fee zeigte auf das Tier. „Diese Gans hat mein Opa, der Zauberer Heiner, heute Morgen geschlachtet. Eigentlich sollten wir den Braten an Ostern auf unserem Tisch haben, doch für das Ostertal, da ist es den Verzicht wert.“ Otto blickte sprachlos auf die Gans und dann wieder auf die Fee. Mariechen nickte nur grinsend. Der Junge hängte die Gans vom Balken ab, da sprach eine Stimme aus dem Schatten. „So, so, und mich fragt wieder keiner.“ Erschrocken blickte Otto in die Ecke, aus der die Stimme kam. Opa Heiner schlurfte mühsam zu ihnen herüber. „Tja Kinder, das ist alles sicher rührend nur meinen knurrenden Magen wird es zum Feste wohl kaum besänftigen können.“

Otto verstand sofort. „Das ist doch vollkommen logisch, ihr seit an Ostern unsere Gäste.“ Der alte Zauberer lächelte. „Angesichts dieser Nachrichten spricht wohl nichts mehr dagegen, nimm die Gans, bringe sie dem Meister Reineke und lass dich von dem Schuft nicht über das Ohr hauen.“

Das brauchte er Otto nicht zwei Mal zu sagen. Der machte sich auf den Weg zu besagter Hütte mitten im Wald. Meister Reineke staunte nicht schlecht über die Gans und entgegen seiner Art packte ihn sogar die Ehrlichkeit. Er packte den Weidenkorb randvoll mit frischen Eiern.

Frieda hingegen machte ganz, ganz, große Augen ihr Herz hüpfte voller Freude. Sie färbte Eier, machte ihren berühmten Eierlikör, den Eiersalat und zauberte hingebungsvoll die tollsten Kuchenkreationen.

Am Ostersonntag saßen der Heiner, das Mariechen, der Otto und die Frieda an der köstlich gedeckten Tafel auf der Terrasse. Man wird es kaum glauben, aber der Ludger kam auch und war ganz friedlich.

Im Ostertal waren die Freude und der Frieden eingekehrt und die Sonne strahlte mit den bunten Eiern um die Wette. Die Bienen summten munter umher und sangen bereits das Lied des nahenden Mai. Meister Reineke schnarchte hochzufrieden mit vollem Bauch auf seinem Liegestuhl liegend. So hatte das Ostertal am Ende doch noch seine Osterüberraschung und zum Dank dafür erhielten die Kinder dieser Welt auch in diesem Jahr ihre bunten Osternester.

© Bernard Bonvivant, Schriftsteller, Germany


Autor des Romans "Das Chaos"