Freitag, 29. Oktober 2010

Jens und Maria

Maria und Jens


Wir waren noch an der Uni, als sich unsere Liebe fand.
Zwei junge Menschen auf dem Weg in ein Leben voller Abenteuer.

Unser Sinn war es die große Karriere zu machen, etwas anderes kam nie infrage.

Während andere Paare heirateten und Kinder bekamen, lehnte Maria solche Lebensweise total ab. Kinder niemals!
Ich hatte mich längst damit abgefunden, unser Leben ließ uns ohnehin dafür keine Zeit.

Marias Weg führte sie nach Frankfurt an die Börse, mein Weg führte mich in einen großen internationalen Konzern.
Während Maria sehr schnell Aufstieg in der Liga der Händler und ein unglaubliches Gehalt verdiente, war mein Aufstieg zumindest was das Geld betraf nicht so rosig ausgefallen. Gestört hatte mich dieser Unterschied nie.

Unsere kleine Welt war wirklich sehr begrenzt, die gemeinsamen Stunden konnten an der Hand abgezählt werden.

Wir bauten uns ein Haus in der Pfalz, umgeben vom Wald und unsere Nachbarschaft bekamen wir fast nie zu sehen.
Finanziell ging es uns sehr gut, wer kann schon von sich behaupten ein wahres Luxushaus innerhalb von fünf Jahren bezahlen zu können. Wir schon! Aber wo war unser Leben?

Das war für uns kein Thema und bei der wenigen Zeit auch nie sonderlich von Bedeutung.

An einem Freitagnachmittag änderte sich unser Leben schlagartig, sozusagen innerhalb von Sekunden. Maria war mit ihrem Porsche auf dem Weg zu unserem Haus. Es regnete in Strömen und sie musste noch unbedingt für das Wochenende einkaufen. Ich hatte an diesem Tag keine Zeit, ein Meeting hetzte die nächste Besprechung und dazwischen qualmte es an allen möglichen Stellen. Wir hatten an diesem Tag einen kleinen Gau.

Maria raste hingegen mit ihrem Porsche durch den Regen und circa drei Kilometer vor unserer Autobahnabfahrt passierte das Unvermeidliche. Ein Lastzug scherte einfach auf die Überholspur und Maria musste voll auf die Bremse gehen. Auf der nassen Fahrbahn begann der Porsche zu schwimmen, erst touchierte er die Leitplanken, dann streifte er einen Kleinlaster, der gab dem Wagen einen leichten Dreh und schon raste der Porsche über den Seitenstreifen in die Böschung hinab. Das hohe Tempo hielt den Wagen nicht unten, sondern ließ ihn einen steilen Weinberg ansteigen, immerhin noch gut hundertfünfzig Meter.

Es war ein Bild der Verwüstung, auf der Autobahn lagen überall Fahrzeugteile, nachfolgende Pkw waren ineinandergefahren und der Porsche hatte den Weinberg in einer breiten Flucht zerstört.

Das Wrack stand am Berg und durch den Regen waren die Sichtverhältnisse durch den bevorstehenden Abend schlecht. Die Feuerwehr musste erst einmal die Unfallstelle ausleuchten, bevor sie erkannten, ohne Bergungsgerät war der Porsche nicht mehr zu öffnen.

Maria, die aus mehreren offenen Wunden blutete, war ohne Bewusstsein und eingeklemmt. Es dauerte zwei Stunden, bis sie aus dem Fahrzeug befreit war und in ein Krankenhaus transportiert wurde.

Ich bekam von dem Unfall erst mit, als ich die Unfallstelle passierte und den Porsche auf dem Abschleppwagen sah. Ich hielt an und sprach mit den Polizisten.

Im Krankenhaus erwartete mich die nächste Hiobsbotschaft. Maria würde zwar überleben dafür aber gelähmt sein. Das war ein Schock! Sie lag bewusstlos auf der Intensivstation und ich stand an ihrem Bett und konnte nicht helfen. Wer sollte informiert werden? Niemand, wir hatten doch keine Verwandten mehr.

Ich saß an ihrem Bett und fragte mich: „Was hat uns das Leben bisher eigentlich gebracht?“

Meinem Chef machte ich verständlich, meine Lebensgefährtin braucht mich jetzt. Seine Worte trafen mich erneut. „Ihnen ist wohl bewusst, dass sie in Zukunft weniger verdienen werden, außerdem mit einem Manager der hier nicht zu zweihundert Prozent arbeitet, kann ich nichts anfangen.“

Zwei Monate später konnte ich Maria aus dem Krankenhaus nach Hause holen. Ich setzte sie auf den Beifahrersitz, verstaute den Rollstuhl im Kofferraum und wir fuhren zu unserem Haus. Sie hatte die ganze Fahrt über kein Wort gesagt, bleich, einem Häufchen Elend gleich saß sie auf dem Beifahrersitz.

Wir waren zwei wahre Planer und wir hatten unser Haus schon vom ersten Stein an auch für das Alter gebaut. Wer hätte gedacht wir würden dies schon viel schneller brauchen als gedacht.

Ich fuhr den Wagen in unsere Doppelgarage und half ihr in den Rollstuhl. An unserem Haus waren die Wege ebenerdig und so konnte der Rollstuhl ohne Probleme ins Erdgeschoss gelangen. Wir hatten sogar einen Aufzug eingebaut. Unsere Freunde haben uns damals alle belächelt und sagten. „Die zwei Römer spinnen!“

Maria ging mir die nächsten zwei Monate so gut es ging aus dem Weg. Ein Gespräch war einfach nicht möglich.
Ich hatte meine Hoffnung schon längst aufgegeben, da schob sie ihren Rollstuhl neben meinen Wohnzimmersessel und lächelte mich an.

In ihren Händen hielt sie ein Schreiben. Ich fragte wie es so oft in solchen Augenblicken vorkommen mag das Falsche.
„Geht es dir gut?“

„Eine noch blödere Frage fällt dir dazu nicht ein. Ich habe heute meinen Rentenbescheid bekommen.“ Sie lachte fast hysterisch, dann schlug sie mit der geballten Faust auf ihren Stuhl ein. „Verdammte Scheiße! Ich bin doch erst vierzig! Soll ich in solch einem Scheiß Rollstuhl dahin verkümmern? Ich bin doch kein Krüppel!“

Ich versuchte, sie zu trösten. „Nein! Du bist kein Krüppel, aber ändern kannst du die Dinge auch nicht mehr.“

„Du hast gut reden, du bist von dieser Geschichte nicht betroffen!“

„Wir sind ein Paar, in einer Gemeinschaft sind immer beide Teile betroffen. Geht es dir schlecht, geht es auch mir nicht gut.“

Maria giftete. „Du schwallst doch nur Scheiße!“

In unserem ganzen Leben hatte ich noch nie aus ihrem Mund innerhalb kurzer Zeit solche heftigen Worte gehört. Sie war immer beherrscht, hatte jede Situation im Griff. Es schien als sei über ihr die große Verzweiflung hereingebrochen.

„Wir können über alles reden, Maria. Schau wir haben ein schuldenfreies Dach über dem Kopf und unsere Ersparnisse sind auch noch nicht weg. Wir können jede Situation meistern.“

Maria schrie laut. „Wir sind bettelarm. Du Armleuchter hast dich in eine schlechtere Position versetzen lassen und ich kriege ganze 1.350 Euro Rente, dafür habe ich jahrelang den Höchstbeitrag in diesen Mistverein bezahlt.“

Ich versuchte sie in den Arm zu nehmen, doch sie wies mich ab. Hemmungslos liefen die Tränen die Wangen hinab. Ich versuchte das Gespräch erneut in Gang zu setzen.
„Ist dir schon einmal aufgefallen unser Leben dreht sich nur um das liebe Geld. Geld, Haus, Auto und wo bleiben wir? Was haben wir in fünfzehn Jahren Gemeinsamkeit erlebt? Ich meine wirklich erlebt außer der Arbeit. Nichts!“

Maria schaute mich entrüstet an.
„Ach ein Haus ohne Schulden hat wohl keinen Wert?“
„Darum geht es doch nicht. Waren wir jemals in Urlaub?“
Maria verschränkte ihre Arme vor ihrem Oberkörper, trotzig wie ein Kind.

„Das geht schlecht, so ein Haus abzahlen, alle zwei Jahre neue Autos und teuere Designerklamotten. Irgendwo muss eben auch bei Leuten wie uns gespart werden.“
Ich war entsetzt. „Du willst mich wohl nicht verstehen. Unsere alten Freunde sind alle verheiratet und haben zumindest ein Kind. Und was haben wir?“

Maria schrie. „Ich brauche keine Kinder, Windelscheißer, eine Bande durch das Haus ziehender Ungeheuer. Die machen mir doch meine Einrichtung kaputt. Die Vase dahinten, aus China, achthundert Jahre alt. Weißt du, wie wertvoll diese Vase ist?“

„Maria, diese Dinge mögen einen materiellen Wert haben und wo bei allen deinen Einwänden ist der Wert deines Lebens.“

Maria blickte zornig. „Mein Leben hat keinen Wert mehr oder soll ich ihn mit 1.350 Euro monatliche Rente ansetzen.“

Ich konnte es nicht fassen. „Du hast deine Zusatzversicherungen vergessen, außerdem hast du aus deinen Policen Geld bekommen. Du klagst auf hohem Niveau. Die Rente, die du bekommst, kriegen viele nicht einmal für ein langes Leben in harter Knochenarbeit!“

„Du Armleuchter, dafür habe ich studiert.“

„Komme lieber schnell herunter von deinem Egotrip, der ist überhaupt nicht hilfreich. Wir sollten uns lieber Gedanken um die Zukunft machen. Ich würde zum Beispiel auch ein Kind adoptieren.“

Maria schrie das ganze Haus zusammen. „Ich werde in diesem Haus niemals Kinder akzeptieren, außerdem geh doch zu deinem Flittchen und mache der ein Kind. Meinst du, ich wüsste nicht von deinem Verhältnis!“

Das verschlug mir nun fast vollends die Sprache.

„Ich und Verhältnis, was habe ich den die ganzen Monate für dich getan. Warum habe ich mich in meiner Position verschlechtert? Weil ich im Gegensatz zu dir begriffen habe, mein Leben gehört mir und nicht irgendeinem monatlichen Scheckgeber.“

„Jens, du spuckst ganz schön große Töne! Wie willst du unser Haus erhalten? Wie willst du mir einen behindertengerechten Wagen finanzieren?“

Sie drehte sich mit ihrem Rollstuhl um und verschwand.
Es vergingen weitere zwei Monate, in denen wir uns wieder nur anschwiegen. Einen Wagen hatte sie noch keinen, wozu auch. Sie hatte beschlossen sich in ihr Schneckenhaus zu verziehen und dort hatte außer ihr keiner mehr Zutritt.

Ich bereute schon fast, zu früh in meinem Job eine Veränderung herbeigeführt zu haben. Im Leben weiß man oft erst viel später, wozu die gewagten Schritte, dann doch gut waren.

Ein Freund, dessen Unternehmen fast an unserem Wohnort lag, hatte mir einen Job mit gleichen Konditionen geboten. Ich hatte die Herausforderung angenommen, in einem kleinen Unternehmen zu arbeiten. Es war eine völlig neue Welt für mich und die Arbeit machte mir auch wieder richtig Spaß.

Marias Meinung dazu war eher bissig. „Damit hat er wohl seine Karriere endgültig begraben. Du warst schon immer ein unzuverlässiger Versager.“

Diese Worte blieben auf meiner Seele tief eingebrannt. Es würde lange dauern, bis ich wieder mit ihr sprechen würde.
Ich fragte mich immer mehr: „Was lief in unserem Leben einfach so verdammt schief? Wir hatten doch wirklich keinen Grund so miteinander umzugehen.“

Die nächsten Wochen herrschte in diesem Haus ein eisiger Wind. Das lag nicht nur am beginnenden Winter. Das Weihnachtsfest wurde wohl das traurigste Fest meines Lebens. An Neujahr kam mir sogar der Gedanke, meinem Leben ein Ende zu setzen. Maria war meine große Liebe, doch ich konnte sie nicht mehr erwärmen. Ihre Gefühle waren zunehmend erkaltet und ihr Herz voller Bitterkeit verschlossen.

Im Februar lag hoher Schnee vor unserem Haus und ich blickte an einem Samstagmorgen verträumt über die Schneedecke. Vor meinen Augen zogen die Kindertage vorbei, Schlittschuhe, Rodelschlitten, Schneeballschlachten und das übermütige Kinderlachen. Ich hörte nicht die Klingel und ich merkte auch nicht die Besucher, die längst in ein Gespräch mit Maria vertieft waren. Ich war meilenweit weg von diesem Leben in einer anderen Welt.
Irgendwann sah ich eine alte Frau an unserem Wohnzimmertisch heulend eine Geschichte erzählen. Eine junge Frau saß daneben und stellte ständig irgendwelche Fragen. Ich wollte davon keine Silbe hören, doch Maria rief mich an den Tisch.

Wie aus weiter Ferne fand ich in die Gegenwart zurück und mein Gehirn nahm die Worte wahr.

„Wer kümmert sich jetzt um die armen Kinder? Das ist wohl unsere Angelegenheit.“ Irgendwie verstand ich diese Worte nicht. Welche Kinder? Wir hatten doch keine Verwandten mehr.

Das war unsere Sicht der Verhältnisse, doch in Ostfriesland gab es tatsächlich eine entfernte Cousine meiner Frau. Die guten Leute hatten dort einen Bauernhof und zwei Kinder, ein Mädchen fünf und einen Jungen sieben Jahre alt. Ihr Hof war abgebrannt und die Eltern an einer Rauchgasvergiftung gestorben.

Das plätscherte alles an mir vorbei wie ein Wasserfall, betraf mich nicht und war auch nicht von Bedeutung für mich, wäre da nicht dazwischen ein Sirenengesang gewesen.

Maria interessierte sich für das Schicksal dieser beiden Kinder. „Natürlich nehmen wir die beiden Kinder, nicht wahr Jens. Unser Haus ist groß genug und außerdem haben wir einen großen Garten. Kinder sind doch wichtig im Leben, außerdem sind es meine einzigen Verwandten.“

Ich traute kaum meinen Ohren.

Die Dame vom Jugendamt meinte. „Es wäre gut sie wären verheiratet, es würde manches einfacher machen. Ich bin mir auch nicht sicher ob Kinder in dieses Haus passen, die wertvollen Sachen, die hier so herumstehen. Kinder werfen schon einmal was um.“

Maria nickte zustimmend. „Heiraten wollten wir schon lange, aber dann kam mein Unfall dazwischen. Irgendwie haben wir dann dieses Ziel aus den Augen verloren. Das Zeugs hier.“ Sie zog mit der Hand einen Kreis durch die Luft. „Das ist doch nur tote Materie. Die besonders wertvollen Sachen werden wir bei einem Auktionshaus versteigern lassen. Das Geld nehmen wir dann für die Ausbildung unserer Kinder. Du teilst doch meine Meinung Jens?“

Mir blieb erst einmal die Spucke weg. Ich nickte nur zustimmend. Das war für mich nicht nachvollziehbar, meine Maria übernahm so ganz nebenbei meine Ansichten.
Die nächste Zeit war mit Hektik verbunden.

Maria nicht ich, entrümpelte das Haus. Die wertvollen Sachen kamen unter den Hammer in einem Düsseldorfer Auktionshaus auf der Kö und brachten eine für mich unvorstellbare Summe ein. Hatten wir wirklich in unserem bisherigen Leben in so einem wertvollen Staub gelebt?

Die Wandlung Marias ging mit einem Affentempo weiter. Ich konnte nicht einmal so schnell schauen, wie sie plötzlich unser Haus und dabei auch sich veränderte.

Sie richtete beiden Kindern ihre Zimmer ein und kaufte sich einen behindertengerechten Peugeot 1007.

Maria und ich heirateten und was ich längst nicht mehr gewagt hatte zu hoffen, trat ein. Wir wurden eine richtig starke Familie.

Unsere beiden Kinder entwickelten sich prächtig.

Tom ist mittlerweile achtundzwanzig Jahre alt, von Beruf Anwalt und heiratet am heutigen Tag seine langjährige Freundin.

Unsere Tochter Lisa ist Ärztin und sie hat im letzten Jahr die Praxis unseres Hausarztes übernommen.

Und wir? Wir haben viele glückliche Jahre geschenkt bekommen, trotz Rollstuhl. Wir haben gelernt, das Leben zu leben. Maria würde heute nicht glauben, dass sie einmal drauf und dran war, ihr Leben nur für das Geld zu opfern.

Ich liebe meine Frau immer noch so wie in unseren Studententagen und eigentlich möchte ich keinen Tag missen, auch die weniger Guten nicht.

© Bernard Bonvivant, Schriftsteller, Germany

Autor des Romans « Das Chaos »

Samstag, 23. Oktober 2010

Kreuzfahrt ins Glück

Kreuzfahrt ins Glück.

Sophie knallt ihr Weinglas auf den Tisch und schaut wütend zu ihrem Tischnachbarn hinüber. „Weißt du, was du bist! Ein kleiner Maurermeister, der sich zum großen Bauunternehmer aufspielt. Du Spießer! Wenn ich mich amüsieren will, dann tue ich es auch. Es gibt auch noch andere Männer auf dieser Welt, Eduard. Ich suche mir jetzt einen mit dem entsprechenden Charisma.“

Der Oberkellner eilt zu dem Tisch. „Meine Dame, wir sind in einem 5 Sterne Hotel. Ich möchte sie bitten, Ihren Ton etwas leiser anzuschlagen.“

Sophie stemmt ihre Hände in die Hüften. „Steck du Würstchen deine 5 Sterne sonst wohin, du dämlicher Lackaffe! Eduard ich lasse mich scheiden.“

Sophie springt vom Tisch auf und rennt davon. Der Oberkellner schaut ihr sprachlos hinterher. „Ist ihre Frau immer so?“ Eduard lacht. „Seit sie den Verstand verloren hat, sie glaubt allen Ernstes, sie gehöre zu den besseren Kreisen.“
Der Oberkellner grinst. „Da wird sie aber noch lange üben müssen, so wird sie besten Falls bekannt in der Boulevardpresse.“ Eduard ist diese Aktion peinlich. Einige Leute starren ihn immer noch an.

„Bringen sie mir bitte die Rechnung.“ Der Oberkellner schaut Eduard verwundert an. „Welche Rechnung soll ich ihnen bringen? Sie haben doch noch gar nichts bestellt.“ Eduard nickt nur und steht auf.

„Ich wünsche ihnen noch einen schönen Abend.“ Der Oberkellner orakelt. „Hoffentlich kommen nicht noch mehr solche Peinlichkeiten durch die Tür herein spaziert.“ „ Ich kann mich nur für meine Frau entschuldigen.“

Der Oberkellner meint tröstlich. „Seien sie froh, wenn sie diese Furie los sind.“
Dieses unangenehme Ereignis hat sich genau vor acht Monaten, drei Tagen und vier Stunden zu getragen. Seit drei Tagen ist Eduard geschieden und jetzt steht er an der Reling eines Kreuzfahrtschiffes und schaut hinunter in das geschäftige Treiben des Hafenbetriebes. Diese Reise verdankt er seiner Schwester Elvira und die hat nichts Besseres zu tun, als sich angeblich unsterblich zu verlieben. Wie bescheuert sind eigentlich die Menschen? Vor drei Jahren ist ihr Ekel von Mann bei einem Unfall mit seiner Geliebten ums Leben gekommen. Er hatte geglaubt seine kleine Schwester wäre intelligenter und jetzt kommt sie doch tatsächlich mit einem eher mittellosen Schriftsteller an. Das will Eduard nicht akzeptieren und schon gar nicht erst dulden. Er wird diesen Hochstapler entlarven. Jawohl! Er wird ihm die Fratze des angeblichen Ehrenmannes entreißen, ihn bloßstellen und der Welt zum Spott vorwerfen. Während Eduards Gesichtsausdruck Bände spricht, steht plötzlich Elvira neben ihm.
„Also wirklich, Bruderherzchen, ich habe dir diese Reise geschenkt, weil ich dachte, du freust dich und jetzt machst du eine Visage wie drei Tage Regenwetter.“
Eduard wird sich seiner Gefühle bewusst und lächelt sie an. „Entschuldigung, mein kleiner Engel, ich fürchte du schlägst mich noch mit einer größeren Dummheit.“ Elvira hakt sich bei ihm unter und meint. „Nur weil du auf diese größenwahnsinnige Friseuse reingefallen bist, muss ich nicht automatisch ein ähnliches Schicksal haben.“

Eduard ist da ganz anderer Meinung. „Was weißt du über deinen Schriftsteller? Nichts! Das ist ein absoluter Hochstapler, der sucht doch geradezu ein warmes Nest, in dem er sich wohlfühlen kann.“

Elvira nimmt den rechten Zeigefinger und stupst ihn auf seine Nase. „Hallo großer Bruder, höre ich da etwa die Eifersucht aus deinen Worten?“ Eduard drückt seine Schwester an sich. „Nein! Ich will wirklich nur dein Glück.“ „Na dann ist ja gut.“ „Wo steckt der Typ eigentlich?“

„Der Typ hat einen Namen und heißt Sebastian.“ „Wie? Sebastian, wie kann einer schon so heißen. Der richtige Name für einen Heiratsschwindler.“ Elvira lacht laut. „Jetzt reicht es aber wirklich mit dir. Nimm dich gefälligst zusammen. Er weiß nichts von meinem Bruder und ich wollte ihn eigentlich auf die Probe stellen. Jetzt kommen mir aber erste Zweifel.“

Eduard atmet erleichter auf. „Wenn es so ist, dann werde ich mich ganz anständig verhalten.“ Elvira drückt ihren Bruder an sich. „Falls ein Baulöwe so etwas überhaupt kann.“ Eduard lächelt mit der Sonne um die Wette. „Ich kann, du wirst schon sehen.“ Elvira ist beruhigt. „Okay! Ich mache mich erst einmal rar. Er sitzt an der Bar.“

Eduard schaut missbilligend auf seine Uhr. „Doch nicht schon um diese Zeit? Ist er Alkoholiker?“ Elvira meint schelmisch. „Da habt ihr dann was gemeinsam.“
Der Bruder sucht die Bar. Auf einem großen Kreuzfahrtschiff gibt es mehr als eine Bar. Eine halbe Stunde später wird er fündig. An der Kaffeebar sitzt ein Mann in einem dunklen Anzug mit Krawatte. Diese Person ist wohl Mitte vierzig. Eduard ist der Spund viel zu jung, er müsste älter sein, sechzig, siebzig. Jetzt ist er schone einmal hier, warum also nicht näher begutachten.

„Gestatten, ist der Platz neben ihnen frei?“ Der Mann dreht sich kurz um und lächelt ihn an. „Von mir aus können sie die ganze Bar haben, mir reicht dieser kleine Platz, auf dem ich zur Zeit sitze.“ Eduard ist ein wenig erstaunt. „Ich heiße Eduard.“ Er reicht dem Mann die Hand. „Ich bin der Sebastian.“ Eduard setzt sich neben ihn. „Was trinken sie?“ Sebastian lächelt. „Einen doppelten Espresso und einen Bitterino.“ Eduard fragt interessiert. „Wie viele Umdrehungen hat der Bitterino?“ „Null, alkoholfrei.“ Eine junge Dame kommt herüber und fragt. „Was darf es für sie sein mein Herr?“ Eduard zeigt schweigend auf seinen Nachbarn. Die Bedienung lächelt freundlich. „Verstehe und für sie sicher auch noch einmal?“ Sebastian nickt. Während die Bedienung sich an die Arbeit macht, wandern Sebastians Augen über die Tische. „Suchst du etwas Bestimmtes? Ich darf doch du sagen?“ Sebastian nickt, eine leichte Röte breitet sich auf seinem Gesicht aus. „Ich wollte nur einmal wissen, was es so kostet.“ Eduard lacht laut auf. „Du machst mir wirklich Spaß. Wir haben gerade erst abgelegt und du bist schon klamm.“ Sebastian sagt freundlich. „Behalte es für dich, ich habe meine Spargroschen zusammengelegt. Diese Reise ist mir eher eine Nummer zu groß.“ Eduard meint erstaunt. „Ach, so! Und wie hast du dein Ticket bezahlt?“ Sebastian winkt ab. „Es ist egal, was die Leute von mir halten, meine Freundin hat die Reise bezahlt.“ Eduard ist begeistert. „Heißt das, du hast hier eine Alte aufgerissen, die voll Knete hängt. So eine suche ich nämlich auch.“ Sebastian grinst. „Das ist nicht, wie du denkst, meine Freundin ist eine Putzfrau und langsam denke ich sie hat sich übernommen oder mich geleimt.“ Eduard ist sprachlos. „Wie geht denn so was?“ Sebastian lässt die Schultern hängen. „Sie ist nicht einmal gekommen und so wie es aussieht auch nicht an Bord. Das Ticket scheint aber bezahlt zu sein, sonst hätten sie mich doch längst Achtkant von Bord geworfen.“ Eduard kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Wie lange bist du mit deiner Putzfrau zusammen?“ „Seit einem Jahr.“ Das verschlägt allerdings Eduard die Sprache, er hatte geglaubt, das Paar kennt sich erst ein paar Wochen. „Und da ist dir nicht in den Kopf gekommen, deine Freundin hat gar kein Geld?“ „Doch schon aber sie hat wohl ein wenig geerbt.“ Eduard nickt zustimmend. „Klar doch! Und wie hast du sie kennen gelernt?“ „Ich war Zeuge.“ „Trauzeuge?“ „Nein! Sie hat einen Unfall gebaut mit dem Wagen von ihrem Boss. Das war ein teueres Auto.“ Eduard spricht unbeabsichtigt. „Sag bloß, es war ein Jaguar.“ Sebastian nickt. „Genau, ein Jaguar und der gehörte ihrem cholerischen Chef, einem Millionär am Wannensee.“ Eduard schüttelt den Kopf, erstens war es sein Jaguar und zweitens war er kein Choleriker, er nicht. „Vielleicht bist du einer Betrügerin aufgesessen.“ Sebastian nickt zustimmend. „Diesen Verdacht habe ich allerdings mittlerweile auch. Ich habe mich wohl sehr getäuscht in ihr. Warum verliebe ich mich immer in die falschen Frauen?“ Eduard hingegen stellt fest, da läuft was aus dem Ruder. Was hat sich seine Schwester bei der Nummer gedacht. Der arme Kerl ist völlig naiv und obendrein auch noch so zutraulich. Er nippt an seinem Espresso. „Das ist wohl deine erste Kreuzfahrt.“ Sebastian hat seinen Humor wieder gefunden. „Ja! Meine erste Schiffsreise und zugleich die letzte Reise in meinem Leben.“ Eduard meint betroffen. „Du musst dich nicht gleich umbringen, kein Mensch ist so viel wert.“ „Ich mich umbringen wegen einer Frau? Dann müsste ich schon lange tot sein.“ „Warum ist es dann deine letzte Reise?“ „Ich bin ein Schriftsteller und meine Mittel sind beschränkt.“ Eduard schüttelt den Kopf. „Also weißt du, du siehst gut aus, hast Manieren, warum angelst du dir keine Millionärin?“

Sebastian lächelt vor sich hin. „Das kannst du nicht verstehen, bei mir geht es nicht um das liebe Geld. Ich brauche Gefühle, Düfte, Atem, Träume und Visionen, das kannst du mit Geld nicht bezahlen.“ Eduard lacht laut. „Weißt du, was dein Problem ist? Du bist blind! Jawohl! Mach die Augen auf, in dieser Welt zählt nur das Geld und sonst interessiert es kein Schwein, was du tust oder wer du bist.“ Sebastian klopft ihm auf die linke Schulter. „Siehst du, du bist genauso verblendet, lässt dich vom Geld narren und läufst winselnd hinter jeder Gelegenheit her, noch mehr Geld zu machen. Was hast du am Ende davon? Nichts! Vielleicht einen Goldsarg, aber drei Meter tiefer gehst auch du.“

Eduard nickt zustimmend. „An dieser Ansage ist etwas Wahres dran, wenn mir auch die andere Vorstellung eben besser gefällt. Wenn du auf mich hörst, dann angelst du hier auf diesem Schiff endlich eine Frau mit Geld.“

Sebastian steht auf. „Kann ich bezahlen?“ Die Bedienung lächelt freundlich. „Können schon, mir reicht aber ihre Codekarte.“ Sebastian reicht ihr die Karte. „Am Ende der Reise starte ich eine Karriere als Tellerwäscher oder Knastbruder.“ Eduard meint dazu nur. „Du hast einen merkwürdigen Humor.“ Sebastian entgegnet. „Ich weiß, jedem Tierchen sein Pläsierchen und mir meine Welt. Ich wünsche dir viel Glück beim Angeln. Mir steht danach nicht mehr der Sinn. Ich sage es ganz banal: Habe fertig mit Frauchen, soll sich anderes Hündchen suchen.“

Sebastian geht in seine Suite und ist für die nächste Zeit mit seinem Laptop verheiratet.

Eduard schwant weniger Gutes, er befürchtet zu Recht die ersten tiefen Regenwolken am Liebeshimmel seiner Schwester. Er ist bereits auf dem Weg zu seiner Unterkunft, da stellt sich ihm Elvira in den Weg. „Na, wie findest du ihn? Süß, nicht war, ein ganz toller und großartiger Mann.“ Eduard, der angetreten ist, um die Verbindung zu verhindern, hat längst seine Entscheidung getroffen. „Elvira, ich mache da nicht mehr mit.“ Elviras Gesicht wird kreidebleich. „Mache mir das nicht kaputt!“ Eduard lacht wenig erfreut, eher voller Hohn. „Du brauchst niemanden um etwas kaputt zu machen, die Kleinigkeit erledigst du spielend, ganz allein.“ „Was redest du für einen Blödsinn?“ „Denkst du nicht, es wäre an der Zeit gewesen, wenn man eine Beziehung schon so lange pflegt, auch einmal mit der Wahrheit herüberzurücken? Glaubst du wirklich, dass du das jetzt noch gebacken bekommst? Ich Vollidiot! Der arme Mann hat auf dich gewartet.“ „Na und? Das macht die Sache interessanter.“ Eduard entgegnet trocken. „Falls du die Liebe als ein Spiel verstehst, dann wirst du ja auch wissen, wann man verloren hat. Du hast auf jeden Fall mehr als schlecht gespielt.“ Elvira ist geschockt. „Das ist nicht wahr! Ich liebe ihn doch.“ Eduard schüttelt fassungslos den Kopf. „Dazu gehört auch Vertrauen und vor allem Ehrlichkeit. Ich weiß wirklich nicht ob dir noch zu helfen ist. Ich gebe zu, ich habe es nicht gewusst, wie sehr dich doch noch deine Vergangenheit gefangen hält. Nur im Leben muss man auch loslassen können.“ Elvira faucht. „Männer sind eben Schweine!“

Eduard hat keine andere Antwort erwartet. „Du hast gedacht, da spiele ich mit dem armen Kerl, der ist so hilflos und es macht auch nichts, wenn er noch ein paar Fußtritte im Leben abkriegt. Elvira, so etwas ist pervers! Das ist krank entweder du bringst es in Ordnung oder ich. Ich lasse nicht zu, dass du so mit einem Menschen umgehst.“

Elvira stehen die Tränen in den Augen. „Danke! Das war wohl überfällig, hoffentlich habe ich noch eine Chance. Eduard, wenn ich alles falsch gemacht habe, fängst du mich dann noch auf.“ Eduard geht auf seine Schwester zu und nimmt sie in den Arm.

„Ja! Du bist und bleibst mein kleiner Engel.“

Was wäre das Leben, wenn es ohne Zwischenfälle stattfinden würde? Einige Meter weiter steht ein Mann und blickt hinaus auf das Meer und die Worte rauschen an sein Ohr. Natürlich versteht er nur Bruchfetzen, aber eines versteht er sehr wohl. Die beiden Personen, kennen sich sehr gut und die Frau war seine Putzfrau. Merkwürdig, wie sich doch die Ereignisse gleichen und es scheint als müsse man immer wieder diese Situationen durchlaufen, wie Lehrstunden aus denen die Lehre nicht gezogen wurde.

Das erscheint Sebastian nicht neu, es ist auch nicht anders und der Schmerz ist keineswegs betäubt. Wie in Trance geht er zurück in seine Kabine, die ihm vorher riesig erschien und nun eher viel zu klein ist für die Pein seines Herzens.
Während er in diesem Raum steht, sein Herz pocht und sein Blut pulsiert und der Verstand immer noch nicht bereit ist die Informationen zu verarbeiten, klopft es zaghaft an seiner Tür. Der Weg erscheint ihm endlos und ohne lange zu zögern, öffnet er die Tür.

Vor seinen Augen steht die falsche Schlange, die Versuchung aus dem Paradies, der Traum der Sehnsüchte, der Duft der Rose und die Dornen, die den Tod der Liebe bringen. Es ist nicht mehr der Flügelschlag des Glücks und nicht mehr der Glanz ihrer Augen, vielmehr der Mund, der spricht. „Es ist nicht so, wie du denkst, es ist vielmehr ganz anders.“

In Sebastians Ohren dröhnt es wie Donnerschlag, die Ouvertüre hat begonnen, die Dämmerung setzt ein. Das letzte große Finale und dann die vollkommene Stille. Er hat nicht mehr ihre Worte gehört, er hat nicht mehr ihre flehendliche Bitte vernommen und schon gar nicht mehr den ganzen Rest.

Schweigend stehen sie sich gegenüber, ob Sekunden, Minuten oder Stunden, es gleicht einer Ewigkeit.

Leise flüstern ihre Lippen. „Kannst du mir nicht verzeihen? Ich liebe dich so sehr und ich hatte so große Angst dir die Wahrheit zu sagen.“

Sebastian lächelt und sagt entwaffnend.
„Das hatte ich alles schon einmal und ich habe nicht vor es noch einmal zu erleben. Es ist nicht so, wie du denkst, es ist vielmehr ganz anders. Das hat damals meine erste Frau auch gesagt, als ich sie mit dem Schornsteinfeger im Bett erwischt habe. Ich habe geglaubt du bist anders. Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft Elvira. Die Kosten für das Ticket werde ich dir abbezahlen. Das geht leider nur in Monatsraten.“

Hilflos entgegnet Elvira.
„Das Ticket ist doch überhaupt kein Thema. Es geht um uns, Sebastian.“

Sebastian meint ganz ruhig.
„Das hatte ich auch einmal geglaubt, jetzt weiß ich es besser.“

Elvira blickt unter sich und stammelt.
„Das ist alles nur ein Irrtum. Lass uns darüber reden.“

Der Mann schließt langsam die Tür und sagt.
„Was soll es da noch zu reden geben.“

Elvira flüchtet heulend in die Arme ihres Bruders. Ernüchternd meint Eduard. „Jetzt muss ich auch noch Gott Amor spielen, wenn das Mal gut geht, bei meinen beschissenen schauspielerischen Qualitäten.“

In den nächsten drei Tagen sieht es sowohl für den Gott der Liebe als auch für seine Boten auf Erden schlecht aus, es herrschen Donner und Blitz und die Wolken hängen tief.

Elvira vergießt ihre Tränen ins Bettlaken und Sebastian sucht das Heil unter den Menschen. Irgendwann auf dieser Tour begegnet er dann Eduard.

„Hallo Sebastian, lass uns einen Kaffee trinken.“ Sebastian willigt ein. „Warum nicht, wie ich sehe, bist du beim Angeln erfolgreich.“ Eduard hebt erstaunt den Kopf und schaut Sebastian an. „Wie meinst du das?“ „Wie soll ich das schon meinen, wo du doch aus einer Putzfrau eine Millionärin gemacht hast.“

Eduard beginnt ganz langsam die Katastrophe zu begreifen, welche sich da zwischen den Beteiligten entwickelt hat.

„Ich glaube ich muss was klarstellen. Ich war von Anfang an gegen dich eingestellt und habe auch Stimmung gemacht.“

Sebastian winkt ab. „Lass es gut sein, du hattest recht außerdem, wenn eine Frau dich nicht wirklich liebt, dann sollte sie dir auch gestohlen bleiben. Das ist zumindest meine Auffassung.“

Eduard grinst. „Du hast mich wohl nicht richtig verstanden, Elvira ist meine Schwester.“

Erstaunt schüttelt Sebastian seinen Kopf.
„Mein Gott und ich dachte immer ich erfinde gute Geschichten und dann schreibt das Leben noch unglaublichere Geschichten. Ihr braucht euch nicht mehr zu verstecken, ich weiß auch so bescheid.“

Eduard ist fassungslos, der Kerl schnallt es immer noch nicht.

„Ich gebe zu, meine Schwester hat es übertrieben, aber du scheinst ihr wohl in nichts nachzustehen. Ihr zwei seit wie geschaffen füreinander. Meine Schwester hat mit ihrem Mann sehr schlechte Erfahrungen hinter sich. Das liegt wohl in der Familie. Meine Frau, Sophie, war auch ein brillanter Fehlgriff meinerseits.“ Eduard klatscht in die Hände.

„So ist das Leben, Schnee von gestern, aufgewärmt ist auch nur Wasser.“
Sebastian meint humorvoll. „Eine kalte Dusche kann manchmal wirklich gut tun.“

Eduard sieht seine Chance gekommen.
„Jetzt allen Ernstes, das Mädchen heult sich die Augen aus. Das schadet der Schönheit einer Frau und sie ist nicht mehr die Jüngste, da dauert es noch viel länger, bis die Augen wieder schön leuchten. Liebst du sie?“

Sebastian gestikuliert mit seinen Händen.
„Das ist mein Problem, ich kann nicht mehr ohne sie.“

Eduard kann kaum glauben, was er da hört.

„Mann, du sitzt hier und wirst nicht aktiv. Jetzt musst du die Initiative ergreifen. Geh zu ihr, sprich mit ihr. Eine bessere Zeit findest du doch nicht. Ein Kreuzfahrtschiff, strahlend blauer Himmel, da vorne hängen die Geigen und dort hinten am Horizont geht gerade die Romantik auf. Mach hin sonst werde ich noch sauer. Weißt du überhaupt, wo ihre Suite ist?“

„Nein!“

Eduard schwebt zwischen Fassungslosigkeit und Verzweiflung.
„Ihr zwei seit echt die Härte.“

Er greift in seine Hosentasche und zieht die Zimmerkarte hervor. Er reicht den Chip Sebastian. Der nimmt ihn zaghaft in die rechte Hand. Eduard lächelt.
„Ab jetzt will ich endlich meine Ruhe, der Stress mit euch, der ist mir echt zu viel.“

Sebastian begibt sich zu Elviras Suite. Er öffnet zaghaft die Tür und wirft einen Blick hinein. Auf dem Bett sitzt Elvira und wirft einen Blick herüber.

„Hau bloß ab, du Mistkerl. Ihr Männer seit es nicht wert auch nur eine Träne für euch zu vergeuden.“

Irgendwie beeindruckt dieses Bild voller Elend Sebastian und er schließt hinter sich die Tür.

„Bist du gekommen, um mich zu demütigen.“

Sebastian setzt sich auf ihr Bett und lächelt sie an.
„Du hast immer noch die schönsten Augen der Welt. Tut mir leid. Ich weiß auch nicht, was da passiert ist. Ich war eben völlig verzweifelt, du fehlst mir so.“

Elvira rückt näher und nimmt Sebastian in den Arm.
„Ich weiß auch nicht, ich habe irgendwie große Angst bekommen. Ich will nicht schon wieder leiden müssen.“

Ihre Lippen treffen sich zum Kuss. Ihre Hände suchen den Weg in die vertraute Zweisamkeit und irgendwann sind ihre Körper eins.

Endlich haben sie sich wieder gefunden und das trennende überwunden. Zärtlich haucht Elvira.

„So einen Unsinn machen wir nicht wieder. Jetzt haben wir schon die Hälfte der Reise verplempert.“

Sebastian haucht ihr zärtlich ins Ohr. „Dafür läuft unser Kreuzfahrtschiff aber endlich auf unserer Glückswelle.“

Elvira meint ausgelassen. „Dann könnten wir doch auch auf einem Kreuzfahrtschiff heiraten?“

Sebastian streichelt sanft über ihre Haare. „Ist das jetzt ein Heiratsantrag?“

Elvira feixt. „Heute macht den eben die Frau.“

Sebastian fährt über ihre Venushügel und meint.
„Ich denke, da muss Mann wohl ja sagen.“

Elvira stöhnt.
„Das machen wir dann aber richtig.“

Sebastian atmet schwer.
„Dann müssen wir aber eine neue Kreuzfahrt buchen.“

Elvira haucht.
„Was hast du denn gedacht, also wenn, dann wird das eine Reise ins Glück.“

© Bernard Bonvivant, Schriftsteller, Germany

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Mit Eis geschrieben

Mit Eis geschrieben


Ich liebte einst,
war sehr glücklich.

Ich wollte alles für die Ewigkeit aufschreiben,
wollte alles festhalten.

Den Baum im Garten
Das Laub am Ast
Meine Träume auch für die Zukunft
Meine Freuden und meine Trauer
Meine Liebe, meinen Schmerz
Augenblicke, Schwüre,
Versprechen, schöne Sätze

Nie dran gedacht, nie geglaubt auf ein Ende...
In meinem Eifer nahm ich ein Stift
ohne zu sehen _woraus_.

Schrieb alles wie im Trance auf
wollte jedem der Welt mitteilen..
Nicht nur in Liebe verweilen, raus schreien;

Hört bitte alle zu, lest meine Geschichte,
die schicksalhafte, traumhafte, einmalig schöne..

Nach Jahren machte ich mein Herz wieder auf,
Ich wollte nachlesen, was drin steht.

Ich suchte, suchte, fand nichts geschriebenes.

Keine einzige Zeile stand drin,
kein Wort war mehr vorhanden...

Als ich das merkte war ich schon ein Greis...
Ich schrieb anscheinend mit einem Stift-
aus Eis...

- Tedora- 7. Juli. 2006 00.30 Paraguay

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Medium Tedora

Ein Nachkomme der Göktürken aus dem Altai- Gebirge

Liebe: Alles Nix! Oder was?

Liebe: Alles nix! Oder was?


Die Rede ist natürlich von der Liebe
und dann gibt es auch gleich Hiebe.
Liebe kommt vom Herzen, aus dem Bauch.
Verwirrte Sinne, benebelt mit zartem Hauch.

Der Chemiker sagt dazu ganz gelassen:
Das sind primitive Schlüsselreize
aus einem angeborenen Urzeitprogramm.
Die Evolution findet solches biologisch sinnvoll.

Jetzt wird so langsam klar: Es ist der Botenstoff!
Gedopt wird auch dabei mit Dopamin.
Liebe ist also gedopter Leistungssport,
im Verbund mit einem Chemiecocktail?

Der Gipfel aber ist doch wahrlich die Idee,
mittels Chemie die ewige Treue einzuführen.
Können die uns Menschen nicht leiden,
oder tun sie uns die Liebe nur neiden?


© Bernard Bonvivant,
Autor des Romans « Das Chaos »

In eine neue Zeit der Liebe reisen

Ein blonder Engel am Morgen
vertreibt meist sofort die Sorgen.
Schnell ist der Reiz verflogen,
hat sich die Liebe davon gestohlen.

So manche Liebe verweht im Wind,
lässt zurück kein unschuldiges Kind.
Die Tränen im Auge füllen einen See.
Komm trinke beruhigenden Tee.

Voller Trauer, großer Schmerz,
die Liebe ist gestorben, kein Scherz.
Lass sie gehen in aller Stille.
Tue so, als sei es dein Wille.

Höre auf zu flehen oder gar zu klagen,
darfst neue Schritte ins Leben wagen.
Auf jedes Tief folgt ein Hoch,
du musst nur in Geduld warten noch.

Wie ein zarter Hauch kommt die Liebe,
erweckt in dir neue einzigartige Triebe.
Einer Blume gleich zur Blüte reifen,
in eine neue Zeit der Liebe reisen.


© Bernard Bonvivant