Freitag, 31. Dezember 2010

Sizilianische Liebe

Sizilianische Liebe

Viele Weg führen nach Rom und andere nach Sizilien. Ich war hingegen so pleite, keiner meiner Wege würde noch in weite Ferne führen. Ich sah an einem Freitagnachmittag zu meinem Küchenfenster hinaus, der Regen klatschte gegen die Scheibe. Das hob nun überhaupt nicht meine Laune. Es stand mir eine Menge Ärger bevor. Ich hatte nämlich für die letzten beiden Monate keinen Unterhalt mehr gezahlt. Das lag nicht allein an mir, mein Verleger hatte Insolvenz angemeldet. So saß ich eben auf dem Trockenen, ich schrieb zwar für einige Zeitschriften, doch erstens gab es dafür nicht das große Geld und zweitens hieß es auch hier Geduld mitbringen. Ich beschloss, mein letztes Bargeld in die Pizzeria meines Freundes Riccardo zu tragen.

Im strömenden Regen führte der Weg hinüber zur Pizzeria. Riccardo blickte kurz auf, als ich den Raum betrat, und lachte mich an. Seine Frau Sofia packte mich hingegen gleich am Arm und zog mich zu einem der Tische. An dem Tisch saß ein älterer, freundlicher Herr und lächelte mich an. „Sie also sind der Schriftsteller, Alex Blau. Nehmen Sie bitte Platz. Ich möchte mit ihnen sprechen. Mein Name ist Francesco Santini. Ich bin der Vater von Riccardo und komme aus Sizilien wegen eines persönlichen Anliegens.“ Ich setzte mich zu ihm an den Tisch. Was wollte er wohl von mir? Herr Santini stellte ein Glas vor mir ab und füllte es mit Rotwein. „Sehen Sie, ich, bin ein einflussreicher Mann und ich möchte meine Memoiren schreiben. Ich benötige hierfür allerdings einen Schreiber, der sowohl flüssig im Stil wie auch unterhaltsam schreibt. Ich dachte an Sie.“ Er erhob sein Rotweinglas und prostete mir zu. Ich erhob ebenso mein Weinglas und wir ließen die Gläser klirren. Der Gedanke die Memoiren eines Mannes zu schreiben erweckte nicht gerade große Freude in mir. Ich fragte mich, welche Vorstellungen er wohl hatte vom Erfolg seines Unternehmens. Santini stellte sein Glas auf den Tisch und lächelte mich entwaffnend an. „Sehen Sie, ich kann mir vorstellen, Memoiren sind nicht aufregend. Ich biete Ihnen einen Vorschuss von 5.000 Euro und hier.“ Er griff in seine Jackentasche und zog ein Flugticket hervor. „Dieses ist das Flugticket, sie müssten mich am morgigen Tag schon begleiten.“

Hoppla dachte ich, dieser Deal ging aber megaschnell. Das musste einen Haken haben. Auf der anderen Seite brauchte ich dringend das Geld. Ich musste meiner Exfrau noch zwei Monate Unterhalt zahlen und deshalb gab es wohl nicht viel zu entscheiden. „Wie sieht es mit einem Vertrag aus?“ Francesco Santini winkte ab. „Wir brauchen keinen Vertrag. Sollten wir nicht zu einem Ergebnis kommen, dann betrachten Sie das Geld als Entschädigung für ihren zeitlichen Aufwand.“ Ich sah ihn an und nickte zustimmend. Was mochte es wohl heißen, sollten wir nicht zu einem Ergebnis kommen? Egal, für mich zählte erst einmal die Rettung. Herr Santini bewirtete mich vorzüglich und so blieb ich lange an diesem Abend in der Pizzeria. Gegen Mitternacht verabschiedete ich mich und eilt zur nächsten Sparkasse. Ich zahlte 4.000 Euro auf mein Konto ein, dann marschierte ich zurück in meine Wohnung. Am nächsten Morgen überwies ich den Unterhalt an meine Exfrau über meine Onlinebanking Verbindung. Anschließend packte ich einen Koffer für meinen Flug nach Sizilien. Gegen Mittag fragte ich mich, ob ich überhaupt das Richtige tat, doch der Gedanke an das Geld ließ meine Zweifel verfliegen.

Ich traf Francesco Santini am Abfertigungsschalter der Fluglinie. Meine Erwartung der Mann würde mir etwas aus seinem Leben erzählen wurde enttäuscht, stattdessen las er Wirtschaftsnachrichten. Der Flug nach Sizilien verlief ebenso schweigend. Am Flugplatz erwartete uns bereits ein Chauffeur und unsere Reise führte aus der Stadt auf das Land. Plötzlich begann Santini zu reden. „Jetzt mein Freund fahren wir in das wirkliche Sizilien. In Sizilien hat es ein Großteil der Bevölkerung schwer, die Menschen leben in wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen. Das war schon immer so und früher gab es deshalb sogar Aufstände. Ein Großteil der Sizilianer wanderte deshalb aus. Ihr Weg führte sie in die Welt doch im Herzen blieben sie Sizilianer. Das kann nur jemand verstehen, der hier geboren wurde und dieses Land liebt. Sizilien ist ein Schmelztiegel und am besten spürst du es an unseren Kochtöpfen. Wir haben eine der besten, gesündesten und schlichtesten Küchen der Welt. Wir haben gelernt, von unseren Eroberern das Gute zu behalten und das Schlechte nicht anzunehmen.“ Der Wagen fuhr durch eine Einfahrt und es dauerte noch ein wenig, bis wir an das Haus gelangten. Was heißt hier schon Haus, es war eine Villa.

Francesco stellte mir seine Frau Eleonora vor und einige Verwandte, die wohl seine Rückkehr erwartet hatten. Die Frau des Hauses führte mich zu meinem Zimmer und zeigte mir die Ausstattung, danach ließ sie mir Zeit, mich für das Abendessen umzuziehen. Während ich mich umzog, nahm ich die Gerüche wahr. Es waren die ersten Wegbegleiter einer anderen Welt. Ein Blick von meinem kleinen Balkon stimmte mich glücklich. Es war genau die passende Zeit, in der die Sonne ihr schönstes Licht ein letztes Mal über die Welt sendete, ehe sie sich zum Schlafe legte. Ich war fasziniert von diesem Moment und am liebsten wäre ich gar nicht mehr auf diese Welt zurückgekehrt, so sehr war ich mitten in einem Tagtraum gefangen, voller Zärtlichkeit und Sanftmut.

Ich hörte weder das Klopfen an meiner Zimmertür noch bemerkte ich die Person in meinem Rücken, einzig und allein der dezente Geruch eines Parfüms, welches mich an Mill erinnerte, irritierte mich ein wenig. Eine zarte Hand legte sich auf meine Schulter und eine betörende Frauenstimme flüsterte mir die Worte ins Ohr. Ich verstand nicht ihren Sinn, ich hörte nur auf die Melodie ihres Tonfalls und musste eingestehen, diese Stimme fesselte mich. Langsam fast im Zeitlupentempo drehte ich mich um, dann trafen sich unsere Augenpaare. Es waren zwei Augen, die glänzten wie die Sterne, klar wie ein Kristallsee in den Bergen. Ihr Haar war schwarz und ihr Gesicht strahlte voller Wärme, ihr Mund war lieblich und die Gesichtszüge zeigten die Reife einer wunderschönen Frau. Hätte ich geschrieben der Blitz, schlug ein oder ich war plötzlich von Sinnen, ich war sicher nicht mehr bei klarem Verstand. „Haben Sie mich nicht gehört? Ich habe an der Tür geklopft, mein Vater meinte ich solle sie rufen. Wir warten auf der Terrasse oder haben Sie etwa keinen Hunger?“ Natürlich hatte ich Hunger, es dürstete mich nach Leben und Frohsinn. Hatte ich mich etwa so plötzlich verliebt? Nein! Das konnte nicht sein, ich war hier, weil ich ein Buch schreiben sollte.

„Mein Name ist Alessia.“ Sie reichte mir ihre zarte Hand und ich ergriff sie behutsam, so als würde man mir Juwelen reichen. Ich stammelte so einen Mist. „Ich bin entzückt. Sie haben einen sehr schönen Vornamen. Ich heiße Alex Blau.“ Das war wohl die platteste und dümmste Anmache aller Zeiten, es fehlte mir aber tatsächlich in diesem Augenblick an der Klarheit und Brillanz meiner Gedanken und so gereichten meine Worte eben nur zu einer seichten Kommunikation. Wie konnte ich auch außerdem auf die Idee kommen dieses zarte Geschöpf würde an mir Interesse entwickeln. Schlagartig war mir bewusst, ich war nur ein Schriftsteller, sie aber war die Göttin Aphrodite aus einer anderen Welt. Nie würde es mir gelingen in dieser Welt Beachtung zu finden. Ich spürte einen leichten Herzschmerz, als ich ihr zur Treppe folgte. Während Alessia die Treppe hinab schwebte, kam ich mir wie ein Bauernlümmel vor.

Ich setzte mich an den mir zugewiesenen Platz und meine Angebetete saß genau neben mir. Ich versuchte mich an diesem Abend zu konzentrieren, nichts falsch zu machen und keine Gefühle zu zeigen. Ich verkroch mich geradezu in mein Schneckenhaus und hoffte niemandem würde meine Pein auffallen. Natürlich fiel ich auf, Francesco grinste verschmitzt und seine Frau lächelte mich ständig freundlich an. Einige Mal berührte Alessia mich, legte ihre Hand auf meinen Handrücken und bat mich ihr Dinge vom Tisch zu reichen. Es war als würde ich Stromschläge verpasst bekommen, Gefühle wallten durch meinen Körper und eine Gluthitze erfasste mein Herz. Francesco kam zu mir herüber und fragte. „Wollen wir zwei noch einen kleinen Spaziergang machen oder willst du lieber mit meiner Tochter den Sternenhimmel genießen?“ Hatte ich mich so daneben benommen? War es mir nicht gelungen, meine Gefühle für mich zu behalten? In diesem Augenblick spürte ich eine leichte Röte auf meiner Visage und ich hasste mich dafür. Alessia hingegen lächelte ihren Vater an. „Vater du bist doch sicher müde. Ich denke meine Wenigkeit wird unserem Gast noch unser Land zeigen. Wenn du nichts dagegen hast, würde ich ihn gerne Morgen zu einer Wanderung entführen.“ In mir regte sich ein letzter Versuch, sich meinem nahenden Schicksal zu entziehen. „ Das ist zwar nett von ihnen Alessia, ich denke nur ich sollte langsam anfangen, die Memoiren ihres Vaters zu schreiben.“ Francesco Santini klopfte mir auf die Schultern. „Entspanne dich Alex, das Buch hat doch noch Zeit. Große Ereignisse brauchen ihre Zeit um zu reifen. Du musst erst Sizilien kennenlernen, ehe du schreiben kannst. Uns läuft doch die Zeit nicht davon, wir müssen sie eben nur richtig und sinnvoll nutzen. Meine Tochter ist eine sehr begabte Architektin. Übrigens ist meine Kleine die beste Partie weit und breit.“ Das mochte wohl so sein aber bestimmt nicht für mich.

Ich beschloss, am nächsten Tag nach unserer Wanderung mit Francesco zu sprechen. Es schien mir wichtig ihm die Wahrheit zu sagen. An diesem Abend verlor ich unter dem sizilianischen Sternenhimmel gänzlich mein Herz. War es die atemberaubende Fee an meiner Seite, war es der Duft, welcher in der Luft lag oder war es die klare Nacht voller glitzernder Sterne, ich hatte mich unsterblich verliebt. Der nächste Tag führte Alessia und mich an einem trocken, heißen Sommertag durch eine die Sinne berauschende Landschaft. Die Vegetation war unbeschreiblich, Wildblumen wie Jasmin, Mimosen und Orchideen wuchsen entlang unseres Weges. Überall waren Wildkräuter und ihr Aroma lag in der Luft. Sie führte mich zu Gummibäumen, Bananenstauden um anschließend unter Olivenbäumen mit mir zu sitzen. Sie sprach und ich hörte zu, meine Augen hingen an ihren Lippen. Am liebsten hätte ich sie geküsst, doch dazu fehlte mir der Mut.

Eine innere Stimme rief mich zur Vernunft auf, ich sollte ihr weder Schmerz noch Leid zufügen, es war mein stilles und leises Leiden. Am Abend suchte ich das Gespräch mit Fancesco. Er ließ mich nicht zu Wort kommen, stattdessen sagte er mir es wäre im Moment keine Zeit. Wir würden in der kommenden Woche am Samstagnachmittag miteinander reden. Er habe extra ein Boot für dieses Gespräch geordert. Ich solle mich doch an Alessia halten, die wisse schon, was zu tun wäre.

In meinem Zimmer wurde mein Laptop ausgepackt und ich begann mir meinen Frust von der Seele zu schreiben. Die Frage war doch: Konnte diese Situation noch gerettet werden? Alessia ließ mir keine Zeit, rein zufällig kam sie in mein Zimmer. Ich sollte sie zu den Arabern begleiten. Araber? Pferde, was denn sonst. So verbrachte ich auch diesen Abend mit Alessia. Die folgenden Tage litt ich die höchsten Qualen, die Liebe hatte mich in Brand gesetzt und ich drohte, daran innerlich zu verglühen. Während mich die Frau durch die Blütezeit der Insel führte und ich den kulinarischen Genüssen erlag, wünschte ich mir insgeheim diese Zeit möge nie vergehen.

Am Samstag war es dann so weit. Wir fuhren zum Meer und bestiegen ein großes Schiff. Es war festlich geschmückt und alles sprach für ein großes Ereignis. Alessia flüsterte mir zu. „Vater hat heute Geburtstag.“ Das war wieder so ein Moment, an dem ich vor Scham fast im Boden versank. Ich hatte kein Geschenk für ihn, das war mir sehr peinlich. An Bord des Schiffes wurde mir ein Platz am Tisch Francescos zu gewiesen und wieder saß ich neben Alessia. Ich war so mit den Eindrücken beschäftigt und so entging mir das Ablegen des Schiffes. Auf See wurden erst einmal Reden geschwungen, wie es bei solchen Anlässen üblich war. Irgendwann gelang es mir, das Geburtstagskind für einen Augenblick ungestört zu erwischen.

Wir standen am Heck des Schiffes sahen hinaus auf das Meer und ich erzählte ihm die Wahrheit. Er legte seine Hand auf meine rechte Schulter. „Ich habe von meinem Sohn schon Deine Geschichte gekannt und ich habe nur darauf gewartet, dass Du mir es selber erzählst. Du bist ein anständiger Mensch. Willkommen in meiner Familie.“ Er umarmte mich. Was sollte dies nun heißen? Ich hatte keine Zeit zum Nachdenken, Riccardo und Sofia, verwickelten mich in ein Gespräch. Geschickt bugsierten sie mich zurück an meinen Tisch. Ich setzte mich und Eleonora gab mir einen Kuss auf die Wange.

Francesco kam an den Tisch. „Es wird langsam Zeit, das ein alter Sizilianer seinen Herzenswunsch erfüllt bekommt. Meine Tochter ist nun schon vierzig Jahre und immer noch unverheiratet. Ich will nicht sagen, es sei eine Schande. Nein! Ich liebe meine Tochter und ich gebe sie nur in gute Hände ab. Es wird langsam Zeit, meine Memoiren zu schreiben. Was meinst Du dazu Alex?“ Ich zuckte verlegen mit den Schultern. „Ich stimme natürlich zu.“ Francesco nickte. „Das heißt Du wirst meine Tochter zur Frau nehmen. Sie ehren, achten, respektieren und Ihr treu sein?“

Ich war sprachlos. Was geschah hier? Wie konnte er einem Menschen wie mir einen solchen Diamanten anvertrauen? Verzweifelt suchte ich nach einem Strohhalm. „Lieber Francesco, ich kann doch keine Frau heiraten ohne ihr Einverständnis.“

Alessia beugte sich zu mir herüber und gab mir einen langen, zärtlichen Kuss. Ich konnte nicht anders, aber jetzt brachen alle meine Dämme auf einmal. Ich hielt sie eng umschlungen und ich ließ sie so schnell nicht mehr los. Einige Zeit später trennten sich unsere Lippen und Alessia flüsterte mir ins Ohr. „Glaubst Du wirklich mein Vater verheiratet mich, ohne vorher sich genau zu informieren, wenn ich mir da anlache.“

Eleonora liefen Tränen der Freude die Wangen hinab. Francesco hingegen klatschte in die Hände und alle Stimmen waren schlagartig still. „Ich, Francesco Santini, der alte Sizilianer, verkünde euch Allen mein schönstes Geburtstagsgeschenk. Meine Tochter Alessia und Alex werden heiraten.“

Die ganze Familie freute sich. Ich hatte geglaubt, mir ausmalen zu können, wie Sizilianer feiern, aber die nachfolgenden Stunden zeigten mir eine überschwängliche pure Lebensfreude. Francesco sagte irgendwann zu mir. „Alex, jetzt haben wir dann doch noch schnell meine Memoiren geschrieben.“

Ich schaute ihn erstaunt an. „Hast du wirklich geglaubt, ich würde meine Memoiren schreiben? Es war nur ein Vorwand um dich auf diese Insel zu entführen. Es sei mir verziehen.“ Ich strahlte über mein ganzes Gesicht vor Freude und Glück. „Ich glaube es war die sinnvollste Entführung meines Lebens. Ich werde meine neue Freiheit unter der Sonne Siziliens und an der Seite meiner sizilianischen Liebe genießen.“

Eleonora klatschte freudig in die Hände. „Das heißt, Du bleibst hier auf der Insel.“ Ich nickte. „Gibt es einen schöneren Ort für die Liebe und das Leben?“ Alessia und ich heirateten im Herbst dieses Jahres. Im Jahr darauf waren wir schon zu dritt.

© Bernard Bonvivant, Schriftsteller, Germany

Freitag, 29. Oktober 2010

Jens und Maria

Maria und Jens


Wir waren noch an der Uni, als sich unsere Liebe fand.
Zwei junge Menschen auf dem Weg in ein Leben voller Abenteuer.

Unser Sinn war es die große Karriere zu machen, etwas anderes kam nie infrage.

Während andere Paare heirateten und Kinder bekamen, lehnte Maria solche Lebensweise total ab. Kinder niemals!
Ich hatte mich längst damit abgefunden, unser Leben ließ uns ohnehin dafür keine Zeit.

Marias Weg führte sie nach Frankfurt an die Börse, mein Weg führte mich in einen großen internationalen Konzern.
Während Maria sehr schnell Aufstieg in der Liga der Händler und ein unglaubliches Gehalt verdiente, war mein Aufstieg zumindest was das Geld betraf nicht so rosig ausgefallen. Gestört hatte mich dieser Unterschied nie.

Unsere kleine Welt war wirklich sehr begrenzt, die gemeinsamen Stunden konnten an der Hand abgezählt werden.

Wir bauten uns ein Haus in der Pfalz, umgeben vom Wald und unsere Nachbarschaft bekamen wir fast nie zu sehen.
Finanziell ging es uns sehr gut, wer kann schon von sich behaupten ein wahres Luxushaus innerhalb von fünf Jahren bezahlen zu können. Wir schon! Aber wo war unser Leben?

Das war für uns kein Thema und bei der wenigen Zeit auch nie sonderlich von Bedeutung.

An einem Freitagnachmittag änderte sich unser Leben schlagartig, sozusagen innerhalb von Sekunden. Maria war mit ihrem Porsche auf dem Weg zu unserem Haus. Es regnete in Strömen und sie musste noch unbedingt für das Wochenende einkaufen. Ich hatte an diesem Tag keine Zeit, ein Meeting hetzte die nächste Besprechung und dazwischen qualmte es an allen möglichen Stellen. Wir hatten an diesem Tag einen kleinen Gau.

Maria raste hingegen mit ihrem Porsche durch den Regen und circa drei Kilometer vor unserer Autobahnabfahrt passierte das Unvermeidliche. Ein Lastzug scherte einfach auf die Überholspur und Maria musste voll auf die Bremse gehen. Auf der nassen Fahrbahn begann der Porsche zu schwimmen, erst touchierte er die Leitplanken, dann streifte er einen Kleinlaster, der gab dem Wagen einen leichten Dreh und schon raste der Porsche über den Seitenstreifen in die Böschung hinab. Das hohe Tempo hielt den Wagen nicht unten, sondern ließ ihn einen steilen Weinberg ansteigen, immerhin noch gut hundertfünfzig Meter.

Es war ein Bild der Verwüstung, auf der Autobahn lagen überall Fahrzeugteile, nachfolgende Pkw waren ineinandergefahren und der Porsche hatte den Weinberg in einer breiten Flucht zerstört.

Das Wrack stand am Berg und durch den Regen waren die Sichtverhältnisse durch den bevorstehenden Abend schlecht. Die Feuerwehr musste erst einmal die Unfallstelle ausleuchten, bevor sie erkannten, ohne Bergungsgerät war der Porsche nicht mehr zu öffnen.

Maria, die aus mehreren offenen Wunden blutete, war ohne Bewusstsein und eingeklemmt. Es dauerte zwei Stunden, bis sie aus dem Fahrzeug befreit war und in ein Krankenhaus transportiert wurde.

Ich bekam von dem Unfall erst mit, als ich die Unfallstelle passierte und den Porsche auf dem Abschleppwagen sah. Ich hielt an und sprach mit den Polizisten.

Im Krankenhaus erwartete mich die nächste Hiobsbotschaft. Maria würde zwar überleben dafür aber gelähmt sein. Das war ein Schock! Sie lag bewusstlos auf der Intensivstation und ich stand an ihrem Bett und konnte nicht helfen. Wer sollte informiert werden? Niemand, wir hatten doch keine Verwandten mehr.

Ich saß an ihrem Bett und fragte mich: „Was hat uns das Leben bisher eigentlich gebracht?“

Meinem Chef machte ich verständlich, meine Lebensgefährtin braucht mich jetzt. Seine Worte trafen mich erneut. „Ihnen ist wohl bewusst, dass sie in Zukunft weniger verdienen werden, außerdem mit einem Manager der hier nicht zu zweihundert Prozent arbeitet, kann ich nichts anfangen.“

Zwei Monate später konnte ich Maria aus dem Krankenhaus nach Hause holen. Ich setzte sie auf den Beifahrersitz, verstaute den Rollstuhl im Kofferraum und wir fuhren zu unserem Haus. Sie hatte die ganze Fahrt über kein Wort gesagt, bleich, einem Häufchen Elend gleich saß sie auf dem Beifahrersitz.

Wir waren zwei wahre Planer und wir hatten unser Haus schon vom ersten Stein an auch für das Alter gebaut. Wer hätte gedacht wir würden dies schon viel schneller brauchen als gedacht.

Ich fuhr den Wagen in unsere Doppelgarage und half ihr in den Rollstuhl. An unserem Haus waren die Wege ebenerdig und so konnte der Rollstuhl ohne Probleme ins Erdgeschoss gelangen. Wir hatten sogar einen Aufzug eingebaut. Unsere Freunde haben uns damals alle belächelt und sagten. „Die zwei Römer spinnen!“

Maria ging mir die nächsten zwei Monate so gut es ging aus dem Weg. Ein Gespräch war einfach nicht möglich.
Ich hatte meine Hoffnung schon längst aufgegeben, da schob sie ihren Rollstuhl neben meinen Wohnzimmersessel und lächelte mich an.

In ihren Händen hielt sie ein Schreiben. Ich fragte wie es so oft in solchen Augenblicken vorkommen mag das Falsche.
„Geht es dir gut?“

„Eine noch blödere Frage fällt dir dazu nicht ein. Ich habe heute meinen Rentenbescheid bekommen.“ Sie lachte fast hysterisch, dann schlug sie mit der geballten Faust auf ihren Stuhl ein. „Verdammte Scheiße! Ich bin doch erst vierzig! Soll ich in solch einem Scheiß Rollstuhl dahin verkümmern? Ich bin doch kein Krüppel!“

Ich versuchte, sie zu trösten. „Nein! Du bist kein Krüppel, aber ändern kannst du die Dinge auch nicht mehr.“

„Du hast gut reden, du bist von dieser Geschichte nicht betroffen!“

„Wir sind ein Paar, in einer Gemeinschaft sind immer beide Teile betroffen. Geht es dir schlecht, geht es auch mir nicht gut.“

Maria giftete. „Du schwallst doch nur Scheiße!“

In unserem ganzen Leben hatte ich noch nie aus ihrem Mund innerhalb kurzer Zeit solche heftigen Worte gehört. Sie war immer beherrscht, hatte jede Situation im Griff. Es schien als sei über ihr die große Verzweiflung hereingebrochen.

„Wir können über alles reden, Maria. Schau wir haben ein schuldenfreies Dach über dem Kopf und unsere Ersparnisse sind auch noch nicht weg. Wir können jede Situation meistern.“

Maria schrie laut. „Wir sind bettelarm. Du Armleuchter hast dich in eine schlechtere Position versetzen lassen und ich kriege ganze 1.350 Euro Rente, dafür habe ich jahrelang den Höchstbeitrag in diesen Mistverein bezahlt.“

Ich versuchte sie in den Arm zu nehmen, doch sie wies mich ab. Hemmungslos liefen die Tränen die Wangen hinab. Ich versuchte das Gespräch erneut in Gang zu setzen.
„Ist dir schon einmal aufgefallen unser Leben dreht sich nur um das liebe Geld. Geld, Haus, Auto und wo bleiben wir? Was haben wir in fünfzehn Jahren Gemeinsamkeit erlebt? Ich meine wirklich erlebt außer der Arbeit. Nichts!“

Maria schaute mich entrüstet an.
„Ach ein Haus ohne Schulden hat wohl keinen Wert?“
„Darum geht es doch nicht. Waren wir jemals in Urlaub?“
Maria verschränkte ihre Arme vor ihrem Oberkörper, trotzig wie ein Kind.

„Das geht schlecht, so ein Haus abzahlen, alle zwei Jahre neue Autos und teuere Designerklamotten. Irgendwo muss eben auch bei Leuten wie uns gespart werden.“
Ich war entsetzt. „Du willst mich wohl nicht verstehen. Unsere alten Freunde sind alle verheiratet und haben zumindest ein Kind. Und was haben wir?“

Maria schrie. „Ich brauche keine Kinder, Windelscheißer, eine Bande durch das Haus ziehender Ungeheuer. Die machen mir doch meine Einrichtung kaputt. Die Vase dahinten, aus China, achthundert Jahre alt. Weißt du, wie wertvoll diese Vase ist?“

„Maria, diese Dinge mögen einen materiellen Wert haben und wo bei allen deinen Einwänden ist der Wert deines Lebens.“

Maria blickte zornig. „Mein Leben hat keinen Wert mehr oder soll ich ihn mit 1.350 Euro monatliche Rente ansetzen.“

Ich konnte es nicht fassen. „Du hast deine Zusatzversicherungen vergessen, außerdem hast du aus deinen Policen Geld bekommen. Du klagst auf hohem Niveau. Die Rente, die du bekommst, kriegen viele nicht einmal für ein langes Leben in harter Knochenarbeit!“

„Du Armleuchter, dafür habe ich studiert.“

„Komme lieber schnell herunter von deinem Egotrip, der ist überhaupt nicht hilfreich. Wir sollten uns lieber Gedanken um die Zukunft machen. Ich würde zum Beispiel auch ein Kind adoptieren.“

Maria schrie das ganze Haus zusammen. „Ich werde in diesem Haus niemals Kinder akzeptieren, außerdem geh doch zu deinem Flittchen und mache der ein Kind. Meinst du, ich wüsste nicht von deinem Verhältnis!“

Das verschlug mir nun fast vollends die Sprache.

„Ich und Verhältnis, was habe ich den die ganzen Monate für dich getan. Warum habe ich mich in meiner Position verschlechtert? Weil ich im Gegensatz zu dir begriffen habe, mein Leben gehört mir und nicht irgendeinem monatlichen Scheckgeber.“

„Jens, du spuckst ganz schön große Töne! Wie willst du unser Haus erhalten? Wie willst du mir einen behindertengerechten Wagen finanzieren?“

Sie drehte sich mit ihrem Rollstuhl um und verschwand.
Es vergingen weitere zwei Monate, in denen wir uns wieder nur anschwiegen. Einen Wagen hatte sie noch keinen, wozu auch. Sie hatte beschlossen sich in ihr Schneckenhaus zu verziehen und dort hatte außer ihr keiner mehr Zutritt.

Ich bereute schon fast, zu früh in meinem Job eine Veränderung herbeigeführt zu haben. Im Leben weiß man oft erst viel später, wozu die gewagten Schritte, dann doch gut waren.

Ein Freund, dessen Unternehmen fast an unserem Wohnort lag, hatte mir einen Job mit gleichen Konditionen geboten. Ich hatte die Herausforderung angenommen, in einem kleinen Unternehmen zu arbeiten. Es war eine völlig neue Welt für mich und die Arbeit machte mir auch wieder richtig Spaß.

Marias Meinung dazu war eher bissig. „Damit hat er wohl seine Karriere endgültig begraben. Du warst schon immer ein unzuverlässiger Versager.“

Diese Worte blieben auf meiner Seele tief eingebrannt. Es würde lange dauern, bis ich wieder mit ihr sprechen würde.
Ich fragte mich immer mehr: „Was lief in unserem Leben einfach so verdammt schief? Wir hatten doch wirklich keinen Grund so miteinander umzugehen.“

Die nächsten Wochen herrschte in diesem Haus ein eisiger Wind. Das lag nicht nur am beginnenden Winter. Das Weihnachtsfest wurde wohl das traurigste Fest meines Lebens. An Neujahr kam mir sogar der Gedanke, meinem Leben ein Ende zu setzen. Maria war meine große Liebe, doch ich konnte sie nicht mehr erwärmen. Ihre Gefühle waren zunehmend erkaltet und ihr Herz voller Bitterkeit verschlossen.

Im Februar lag hoher Schnee vor unserem Haus und ich blickte an einem Samstagmorgen verträumt über die Schneedecke. Vor meinen Augen zogen die Kindertage vorbei, Schlittschuhe, Rodelschlitten, Schneeballschlachten und das übermütige Kinderlachen. Ich hörte nicht die Klingel und ich merkte auch nicht die Besucher, die längst in ein Gespräch mit Maria vertieft waren. Ich war meilenweit weg von diesem Leben in einer anderen Welt.
Irgendwann sah ich eine alte Frau an unserem Wohnzimmertisch heulend eine Geschichte erzählen. Eine junge Frau saß daneben und stellte ständig irgendwelche Fragen. Ich wollte davon keine Silbe hören, doch Maria rief mich an den Tisch.

Wie aus weiter Ferne fand ich in die Gegenwart zurück und mein Gehirn nahm die Worte wahr.

„Wer kümmert sich jetzt um die armen Kinder? Das ist wohl unsere Angelegenheit.“ Irgendwie verstand ich diese Worte nicht. Welche Kinder? Wir hatten doch keine Verwandten mehr.

Das war unsere Sicht der Verhältnisse, doch in Ostfriesland gab es tatsächlich eine entfernte Cousine meiner Frau. Die guten Leute hatten dort einen Bauernhof und zwei Kinder, ein Mädchen fünf und einen Jungen sieben Jahre alt. Ihr Hof war abgebrannt und die Eltern an einer Rauchgasvergiftung gestorben.

Das plätscherte alles an mir vorbei wie ein Wasserfall, betraf mich nicht und war auch nicht von Bedeutung für mich, wäre da nicht dazwischen ein Sirenengesang gewesen.

Maria interessierte sich für das Schicksal dieser beiden Kinder. „Natürlich nehmen wir die beiden Kinder, nicht wahr Jens. Unser Haus ist groß genug und außerdem haben wir einen großen Garten. Kinder sind doch wichtig im Leben, außerdem sind es meine einzigen Verwandten.“

Ich traute kaum meinen Ohren.

Die Dame vom Jugendamt meinte. „Es wäre gut sie wären verheiratet, es würde manches einfacher machen. Ich bin mir auch nicht sicher ob Kinder in dieses Haus passen, die wertvollen Sachen, die hier so herumstehen. Kinder werfen schon einmal was um.“

Maria nickte zustimmend. „Heiraten wollten wir schon lange, aber dann kam mein Unfall dazwischen. Irgendwie haben wir dann dieses Ziel aus den Augen verloren. Das Zeugs hier.“ Sie zog mit der Hand einen Kreis durch die Luft. „Das ist doch nur tote Materie. Die besonders wertvollen Sachen werden wir bei einem Auktionshaus versteigern lassen. Das Geld nehmen wir dann für die Ausbildung unserer Kinder. Du teilst doch meine Meinung Jens?“

Mir blieb erst einmal die Spucke weg. Ich nickte nur zustimmend. Das war für mich nicht nachvollziehbar, meine Maria übernahm so ganz nebenbei meine Ansichten.
Die nächste Zeit war mit Hektik verbunden.

Maria nicht ich, entrümpelte das Haus. Die wertvollen Sachen kamen unter den Hammer in einem Düsseldorfer Auktionshaus auf der Kö und brachten eine für mich unvorstellbare Summe ein. Hatten wir wirklich in unserem bisherigen Leben in so einem wertvollen Staub gelebt?

Die Wandlung Marias ging mit einem Affentempo weiter. Ich konnte nicht einmal so schnell schauen, wie sie plötzlich unser Haus und dabei auch sich veränderte.

Sie richtete beiden Kindern ihre Zimmer ein und kaufte sich einen behindertengerechten Peugeot 1007.

Maria und ich heirateten und was ich längst nicht mehr gewagt hatte zu hoffen, trat ein. Wir wurden eine richtig starke Familie.

Unsere beiden Kinder entwickelten sich prächtig.

Tom ist mittlerweile achtundzwanzig Jahre alt, von Beruf Anwalt und heiratet am heutigen Tag seine langjährige Freundin.

Unsere Tochter Lisa ist Ärztin und sie hat im letzten Jahr die Praxis unseres Hausarztes übernommen.

Und wir? Wir haben viele glückliche Jahre geschenkt bekommen, trotz Rollstuhl. Wir haben gelernt, das Leben zu leben. Maria würde heute nicht glauben, dass sie einmal drauf und dran war, ihr Leben nur für das Geld zu opfern.

Ich liebe meine Frau immer noch so wie in unseren Studententagen und eigentlich möchte ich keinen Tag missen, auch die weniger Guten nicht.

© Bernard Bonvivant, Schriftsteller, Germany

Autor des Romans « Das Chaos »

Samstag, 23. Oktober 2010

Kreuzfahrt ins Glück

Kreuzfahrt ins Glück.

Sophie knallt ihr Weinglas auf den Tisch und schaut wütend zu ihrem Tischnachbarn hinüber. „Weißt du, was du bist! Ein kleiner Maurermeister, der sich zum großen Bauunternehmer aufspielt. Du Spießer! Wenn ich mich amüsieren will, dann tue ich es auch. Es gibt auch noch andere Männer auf dieser Welt, Eduard. Ich suche mir jetzt einen mit dem entsprechenden Charisma.“

Der Oberkellner eilt zu dem Tisch. „Meine Dame, wir sind in einem 5 Sterne Hotel. Ich möchte sie bitten, Ihren Ton etwas leiser anzuschlagen.“

Sophie stemmt ihre Hände in die Hüften. „Steck du Würstchen deine 5 Sterne sonst wohin, du dämlicher Lackaffe! Eduard ich lasse mich scheiden.“

Sophie springt vom Tisch auf und rennt davon. Der Oberkellner schaut ihr sprachlos hinterher. „Ist ihre Frau immer so?“ Eduard lacht. „Seit sie den Verstand verloren hat, sie glaubt allen Ernstes, sie gehöre zu den besseren Kreisen.“
Der Oberkellner grinst. „Da wird sie aber noch lange üben müssen, so wird sie besten Falls bekannt in der Boulevardpresse.“ Eduard ist diese Aktion peinlich. Einige Leute starren ihn immer noch an.

„Bringen sie mir bitte die Rechnung.“ Der Oberkellner schaut Eduard verwundert an. „Welche Rechnung soll ich ihnen bringen? Sie haben doch noch gar nichts bestellt.“ Eduard nickt nur und steht auf.

„Ich wünsche ihnen noch einen schönen Abend.“ Der Oberkellner orakelt. „Hoffentlich kommen nicht noch mehr solche Peinlichkeiten durch die Tür herein spaziert.“ „ Ich kann mich nur für meine Frau entschuldigen.“

Der Oberkellner meint tröstlich. „Seien sie froh, wenn sie diese Furie los sind.“
Dieses unangenehme Ereignis hat sich genau vor acht Monaten, drei Tagen und vier Stunden zu getragen. Seit drei Tagen ist Eduard geschieden und jetzt steht er an der Reling eines Kreuzfahrtschiffes und schaut hinunter in das geschäftige Treiben des Hafenbetriebes. Diese Reise verdankt er seiner Schwester Elvira und die hat nichts Besseres zu tun, als sich angeblich unsterblich zu verlieben. Wie bescheuert sind eigentlich die Menschen? Vor drei Jahren ist ihr Ekel von Mann bei einem Unfall mit seiner Geliebten ums Leben gekommen. Er hatte geglaubt seine kleine Schwester wäre intelligenter und jetzt kommt sie doch tatsächlich mit einem eher mittellosen Schriftsteller an. Das will Eduard nicht akzeptieren und schon gar nicht erst dulden. Er wird diesen Hochstapler entlarven. Jawohl! Er wird ihm die Fratze des angeblichen Ehrenmannes entreißen, ihn bloßstellen und der Welt zum Spott vorwerfen. Während Eduards Gesichtsausdruck Bände spricht, steht plötzlich Elvira neben ihm.
„Also wirklich, Bruderherzchen, ich habe dir diese Reise geschenkt, weil ich dachte, du freust dich und jetzt machst du eine Visage wie drei Tage Regenwetter.“
Eduard wird sich seiner Gefühle bewusst und lächelt sie an. „Entschuldigung, mein kleiner Engel, ich fürchte du schlägst mich noch mit einer größeren Dummheit.“ Elvira hakt sich bei ihm unter und meint. „Nur weil du auf diese größenwahnsinnige Friseuse reingefallen bist, muss ich nicht automatisch ein ähnliches Schicksal haben.“

Eduard ist da ganz anderer Meinung. „Was weißt du über deinen Schriftsteller? Nichts! Das ist ein absoluter Hochstapler, der sucht doch geradezu ein warmes Nest, in dem er sich wohlfühlen kann.“

Elvira nimmt den rechten Zeigefinger und stupst ihn auf seine Nase. „Hallo großer Bruder, höre ich da etwa die Eifersucht aus deinen Worten?“ Eduard drückt seine Schwester an sich. „Nein! Ich will wirklich nur dein Glück.“ „Na dann ist ja gut.“ „Wo steckt der Typ eigentlich?“

„Der Typ hat einen Namen und heißt Sebastian.“ „Wie? Sebastian, wie kann einer schon so heißen. Der richtige Name für einen Heiratsschwindler.“ Elvira lacht laut. „Jetzt reicht es aber wirklich mit dir. Nimm dich gefälligst zusammen. Er weiß nichts von meinem Bruder und ich wollte ihn eigentlich auf die Probe stellen. Jetzt kommen mir aber erste Zweifel.“

Eduard atmet erleichter auf. „Wenn es so ist, dann werde ich mich ganz anständig verhalten.“ Elvira drückt ihren Bruder an sich. „Falls ein Baulöwe so etwas überhaupt kann.“ Eduard lächelt mit der Sonne um die Wette. „Ich kann, du wirst schon sehen.“ Elvira ist beruhigt. „Okay! Ich mache mich erst einmal rar. Er sitzt an der Bar.“

Eduard schaut missbilligend auf seine Uhr. „Doch nicht schon um diese Zeit? Ist er Alkoholiker?“ Elvira meint schelmisch. „Da habt ihr dann was gemeinsam.“
Der Bruder sucht die Bar. Auf einem großen Kreuzfahrtschiff gibt es mehr als eine Bar. Eine halbe Stunde später wird er fündig. An der Kaffeebar sitzt ein Mann in einem dunklen Anzug mit Krawatte. Diese Person ist wohl Mitte vierzig. Eduard ist der Spund viel zu jung, er müsste älter sein, sechzig, siebzig. Jetzt ist er schone einmal hier, warum also nicht näher begutachten.

„Gestatten, ist der Platz neben ihnen frei?“ Der Mann dreht sich kurz um und lächelt ihn an. „Von mir aus können sie die ganze Bar haben, mir reicht dieser kleine Platz, auf dem ich zur Zeit sitze.“ Eduard ist ein wenig erstaunt. „Ich heiße Eduard.“ Er reicht dem Mann die Hand. „Ich bin der Sebastian.“ Eduard setzt sich neben ihn. „Was trinken sie?“ Sebastian lächelt. „Einen doppelten Espresso und einen Bitterino.“ Eduard fragt interessiert. „Wie viele Umdrehungen hat der Bitterino?“ „Null, alkoholfrei.“ Eine junge Dame kommt herüber und fragt. „Was darf es für sie sein mein Herr?“ Eduard zeigt schweigend auf seinen Nachbarn. Die Bedienung lächelt freundlich. „Verstehe und für sie sicher auch noch einmal?“ Sebastian nickt. Während die Bedienung sich an die Arbeit macht, wandern Sebastians Augen über die Tische. „Suchst du etwas Bestimmtes? Ich darf doch du sagen?“ Sebastian nickt, eine leichte Röte breitet sich auf seinem Gesicht aus. „Ich wollte nur einmal wissen, was es so kostet.“ Eduard lacht laut auf. „Du machst mir wirklich Spaß. Wir haben gerade erst abgelegt und du bist schon klamm.“ Sebastian sagt freundlich. „Behalte es für dich, ich habe meine Spargroschen zusammengelegt. Diese Reise ist mir eher eine Nummer zu groß.“ Eduard meint erstaunt. „Ach, so! Und wie hast du dein Ticket bezahlt?“ Sebastian winkt ab. „Es ist egal, was die Leute von mir halten, meine Freundin hat die Reise bezahlt.“ Eduard ist begeistert. „Heißt das, du hast hier eine Alte aufgerissen, die voll Knete hängt. So eine suche ich nämlich auch.“ Sebastian grinst. „Das ist nicht, wie du denkst, meine Freundin ist eine Putzfrau und langsam denke ich sie hat sich übernommen oder mich geleimt.“ Eduard ist sprachlos. „Wie geht denn so was?“ Sebastian lässt die Schultern hängen. „Sie ist nicht einmal gekommen und so wie es aussieht auch nicht an Bord. Das Ticket scheint aber bezahlt zu sein, sonst hätten sie mich doch längst Achtkant von Bord geworfen.“ Eduard kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Wie lange bist du mit deiner Putzfrau zusammen?“ „Seit einem Jahr.“ Das verschlägt allerdings Eduard die Sprache, er hatte geglaubt, das Paar kennt sich erst ein paar Wochen. „Und da ist dir nicht in den Kopf gekommen, deine Freundin hat gar kein Geld?“ „Doch schon aber sie hat wohl ein wenig geerbt.“ Eduard nickt zustimmend. „Klar doch! Und wie hast du sie kennen gelernt?“ „Ich war Zeuge.“ „Trauzeuge?“ „Nein! Sie hat einen Unfall gebaut mit dem Wagen von ihrem Boss. Das war ein teueres Auto.“ Eduard spricht unbeabsichtigt. „Sag bloß, es war ein Jaguar.“ Sebastian nickt. „Genau, ein Jaguar und der gehörte ihrem cholerischen Chef, einem Millionär am Wannensee.“ Eduard schüttelt den Kopf, erstens war es sein Jaguar und zweitens war er kein Choleriker, er nicht. „Vielleicht bist du einer Betrügerin aufgesessen.“ Sebastian nickt zustimmend. „Diesen Verdacht habe ich allerdings mittlerweile auch. Ich habe mich wohl sehr getäuscht in ihr. Warum verliebe ich mich immer in die falschen Frauen?“ Eduard hingegen stellt fest, da läuft was aus dem Ruder. Was hat sich seine Schwester bei der Nummer gedacht. Der arme Kerl ist völlig naiv und obendrein auch noch so zutraulich. Er nippt an seinem Espresso. „Das ist wohl deine erste Kreuzfahrt.“ Sebastian hat seinen Humor wieder gefunden. „Ja! Meine erste Schiffsreise und zugleich die letzte Reise in meinem Leben.“ Eduard meint betroffen. „Du musst dich nicht gleich umbringen, kein Mensch ist so viel wert.“ „Ich mich umbringen wegen einer Frau? Dann müsste ich schon lange tot sein.“ „Warum ist es dann deine letzte Reise?“ „Ich bin ein Schriftsteller und meine Mittel sind beschränkt.“ Eduard schüttelt den Kopf. „Also weißt du, du siehst gut aus, hast Manieren, warum angelst du dir keine Millionärin?“

Sebastian lächelt vor sich hin. „Das kannst du nicht verstehen, bei mir geht es nicht um das liebe Geld. Ich brauche Gefühle, Düfte, Atem, Träume und Visionen, das kannst du mit Geld nicht bezahlen.“ Eduard lacht laut. „Weißt du, was dein Problem ist? Du bist blind! Jawohl! Mach die Augen auf, in dieser Welt zählt nur das Geld und sonst interessiert es kein Schwein, was du tust oder wer du bist.“ Sebastian klopft ihm auf die linke Schulter. „Siehst du, du bist genauso verblendet, lässt dich vom Geld narren und läufst winselnd hinter jeder Gelegenheit her, noch mehr Geld zu machen. Was hast du am Ende davon? Nichts! Vielleicht einen Goldsarg, aber drei Meter tiefer gehst auch du.“

Eduard nickt zustimmend. „An dieser Ansage ist etwas Wahres dran, wenn mir auch die andere Vorstellung eben besser gefällt. Wenn du auf mich hörst, dann angelst du hier auf diesem Schiff endlich eine Frau mit Geld.“

Sebastian steht auf. „Kann ich bezahlen?“ Die Bedienung lächelt freundlich. „Können schon, mir reicht aber ihre Codekarte.“ Sebastian reicht ihr die Karte. „Am Ende der Reise starte ich eine Karriere als Tellerwäscher oder Knastbruder.“ Eduard meint dazu nur. „Du hast einen merkwürdigen Humor.“ Sebastian entgegnet. „Ich weiß, jedem Tierchen sein Pläsierchen und mir meine Welt. Ich wünsche dir viel Glück beim Angeln. Mir steht danach nicht mehr der Sinn. Ich sage es ganz banal: Habe fertig mit Frauchen, soll sich anderes Hündchen suchen.“

Sebastian geht in seine Suite und ist für die nächste Zeit mit seinem Laptop verheiratet.

Eduard schwant weniger Gutes, er befürchtet zu Recht die ersten tiefen Regenwolken am Liebeshimmel seiner Schwester. Er ist bereits auf dem Weg zu seiner Unterkunft, da stellt sich ihm Elvira in den Weg. „Na, wie findest du ihn? Süß, nicht war, ein ganz toller und großartiger Mann.“ Eduard, der angetreten ist, um die Verbindung zu verhindern, hat längst seine Entscheidung getroffen. „Elvira, ich mache da nicht mehr mit.“ Elviras Gesicht wird kreidebleich. „Mache mir das nicht kaputt!“ Eduard lacht wenig erfreut, eher voller Hohn. „Du brauchst niemanden um etwas kaputt zu machen, die Kleinigkeit erledigst du spielend, ganz allein.“ „Was redest du für einen Blödsinn?“ „Denkst du nicht, es wäre an der Zeit gewesen, wenn man eine Beziehung schon so lange pflegt, auch einmal mit der Wahrheit herüberzurücken? Glaubst du wirklich, dass du das jetzt noch gebacken bekommst? Ich Vollidiot! Der arme Mann hat auf dich gewartet.“ „Na und? Das macht die Sache interessanter.“ Eduard entgegnet trocken. „Falls du die Liebe als ein Spiel verstehst, dann wirst du ja auch wissen, wann man verloren hat. Du hast auf jeden Fall mehr als schlecht gespielt.“ Elvira ist geschockt. „Das ist nicht wahr! Ich liebe ihn doch.“ Eduard schüttelt fassungslos den Kopf. „Dazu gehört auch Vertrauen und vor allem Ehrlichkeit. Ich weiß wirklich nicht ob dir noch zu helfen ist. Ich gebe zu, ich habe es nicht gewusst, wie sehr dich doch noch deine Vergangenheit gefangen hält. Nur im Leben muss man auch loslassen können.“ Elvira faucht. „Männer sind eben Schweine!“

Eduard hat keine andere Antwort erwartet. „Du hast gedacht, da spiele ich mit dem armen Kerl, der ist so hilflos und es macht auch nichts, wenn er noch ein paar Fußtritte im Leben abkriegt. Elvira, so etwas ist pervers! Das ist krank entweder du bringst es in Ordnung oder ich. Ich lasse nicht zu, dass du so mit einem Menschen umgehst.“

Elvira stehen die Tränen in den Augen. „Danke! Das war wohl überfällig, hoffentlich habe ich noch eine Chance. Eduard, wenn ich alles falsch gemacht habe, fängst du mich dann noch auf.“ Eduard geht auf seine Schwester zu und nimmt sie in den Arm.

„Ja! Du bist und bleibst mein kleiner Engel.“

Was wäre das Leben, wenn es ohne Zwischenfälle stattfinden würde? Einige Meter weiter steht ein Mann und blickt hinaus auf das Meer und die Worte rauschen an sein Ohr. Natürlich versteht er nur Bruchfetzen, aber eines versteht er sehr wohl. Die beiden Personen, kennen sich sehr gut und die Frau war seine Putzfrau. Merkwürdig, wie sich doch die Ereignisse gleichen und es scheint als müsse man immer wieder diese Situationen durchlaufen, wie Lehrstunden aus denen die Lehre nicht gezogen wurde.

Das erscheint Sebastian nicht neu, es ist auch nicht anders und der Schmerz ist keineswegs betäubt. Wie in Trance geht er zurück in seine Kabine, die ihm vorher riesig erschien und nun eher viel zu klein ist für die Pein seines Herzens.
Während er in diesem Raum steht, sein Herz pocht und sein Blut pulsiert und der Verstand immer noch nicht bereit ist die Informationen zu verarbeiten, klopft es zaghaft an seiner Tür. Der Weg erscheint ihm endlos und ohne lange zu zögern, öffnet er die Tür.

Vor seinen Augen steht die falsche Schlange, die Versuchung aus dem Paradies, der Traum der Sehnsüchte, der Duft der Rose und die Dornen, die den Tod der Liebe bringen. Es ist nicht mehr der Flügelschlag des Glücks und nicht mehr der Glanz ihrer Augen, vielmehr der Mund, der spricht. „Es ist nicht so, wie du denkst, es ist vielmehr ganz anders.“

In Sebastians Ohren dröhnt es wie Donnerschlag, die Ouvertüre hat begonnen, die Dämmerung setzt ein. Das letzte große Finale und dann die vollkommene Stille. Er hat nicht mehr ihre Worte gehört, er hat nicht mehr ihre flehendliche Bitte vernommen und schon gar nicht mehr den ganzen Rest.

Schweigend stehen sie sich gegenüber, ob Sekunden, Minuten oder Stunden, es gleicht einer Ewigkeit.

Leise flüstern ihre Lippen. „Kannst du mir nicht verzeihen? Ich liebe dich so sehr und ich hatte so große Angst dir die Wahrheit zu sagen.“

Sebastian lächelt und sagt entwaffnend.
„Das hatte ich alles schon einmal und ich habe nicht vor es noch einmal zu erleben. Es ist nicht so, wie du denkst, es ist vielmehr ganz anders. Das hat damals meine erste Frau auch gesagt, als ich sie mit dem Schornsteinfeger im Bett erwischt habe. Ich habe geglaubt du bist anders. Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft Elvira. Die Kosten für das Ticket werde ich dir abbezahlen. Das geht leider nur in Monatsraten.“

Hilflos entgegnet Elvira.
„Das Ticket ist doch überhaupt kein Thema. Es geht um uns, Sebastian.“

Sebastian meint ganz ruhig.
„Das hatte ich auch einmal geglaubt, jetzt weiß ich es besser.“

Elvira blickt unter sich und stammelt.
„Das ist alles nur ein Irrtum. Lass uns darüber reden.“

Der Mann schließt langsam die Tür und sagt.
„Was soll es da noch zu reden geben.“

Elvira flüchtet heulend in die Arme ihres Bruders. Ernüchternd meint Eduard. „Jetzt muss ich auch noch Gott Amor spielen, wenn das Mal gut geht, bei meinen beschissenen schauspielerischen Qualitäten.“

In den nächsten drei Tagen sieht es sowohl für den Gott der Liebe als auch für seine Boten auf Erden schlecht aus, es herrschen Donner und Blitz und die Wolken hängen tief.

Elvira vergießt ihre Tränen ins Bettlaken und Sebastian sucht das Heil unter den Menschen. Irgendwann auf dieser Tour begegnet er dann Eduard.

„Hallo Sebastian, lass uns einen Kaffee trinken.“ Sebastian willigt ein. „Warum nicht, wie ich sehe, bist du beim Angeln erfolgreich.“ Eduard hebt erstaunt den Kopf und schaut Sebastian an. „Wie meinst du das?“ „Wie soll ich das schon meinen, wo du doch aus einer Putzfrau eine Millionärin gemacht hast.“

Eduard beginnt ganz langsam die Katastrophe zu begreifen, welche sich da zwischen den Beteiligten entwickelt hat.

„Ich glaube ich muss was klarstellen. Ich war von Anfang an gegen dich eingestellt und habe auch Stimmung gemacht.“

Sebastian winkt ab. „Lass es gut sein, du hattest recht außerdem, wenn eine Frau dich nicht wirklich liebt, dann sollte sie dir auch gestohlen bleiben. Das ist zumindest meine Auffassung.“

Eduard grinst. „Du hast mich wohl nicht richtig verstanden, Elvira ist meine Schwester.“

Erstaunt schüttelt Sebastian seinen Kopf.
„Mein Gott und ich dachte immer ich erfinde gute Geschichten und dann schreibt das Leben noch unglaublichere Geschichten. Ihr braucht euch nicht mehr zu verstecken, ich weiß auch so bescheid.“

Eduard ist fassungslos, der Kerl schnallt es immer noch nicht.

„Ich gebe zu, meine Schwester hat es übertrieben, aber du scheinst ihr wohl in nichts nachzustehen. Ihr zwei seit wie geschaffen füreinander. Meine Schwester hat mit ihrem Mann sehr schlechte Erfahrungen hinter sich. Das liegt wohl in der Familie. Meine Frau, Sophie, war auch ein brillanter Fehlgriff meinerseits.“ Eduard klatscht in die Hände.

„So ist das Leben, Schnee von gestern, aufgewärmt ist auch nur Wasser.“
Sebastian meint humorvoll. „Eine kalte Dusche kann manchmal wirklich gut tun.“

Eduard sieht seine Chance gekommen.
„Jetzt allen Ernstes, das Mädchen heult sich die Augen aus. Das schadet der Schönheit einer Frau und sie ist nicht mehr die Jüngste, da dauert es noch viel länger, bis die Augen wieder schön leuchten. Liebst du sie?“

Sebastian gestikuliert mit seinen Händen.
„Das ist mein Problem, ich kann nicht mehr ohne sie.“

Eduard kann kaum glauben, was er da hört.

„Mann, du sitzt hier und wirst nicht aktiv. Jetzt musst du die Initiative ergreifen. Geh zu ihr, sprich mit ihr. Eine bessere Zeit findest du doch nicht. Ein Kreuzfahrtschiff, strahlend blauer Himmel, da vorne hängen die Geigen und dort hinten am Horizont geht gerade die Romantik auf. Mach hin sonst werde ich noch sauer. Weißt du überhaupt, wo ihre Suite ist?“

„Nein!“

Eduard schwebt zwischen Fassungslosigkeit und Verzweiflung.
„Ihr zwei seit echt die Härte.“

Er greift in seine Hosentasche und zieht die Zimmerkarte hervor. Er reicht den Chip Sebastian. Der nimmt ihn zaghaft in die rechte Hand. Eduard lächelt.
„Ab jetzt will ich endlich meine Ruhe, der Stress mit euch, der ist mir echt zu viel.“

Sebastian begibt sich zu Elviras Suite. Er öffnet zaghaft die Tür und wirft einen Blick hinein. Auf dem Bett sitzt Elvira und wirft einen Blick herüber.

„Hau bloß ab, du Mistkerl. Ihr Männer seit es nicht wert auch nur eine Träne für euch zu vergeuden.“

Irgendwie beeindruckt dieses Bild voller Elend Sebastian und er schließt hinter sich die Tür.

„Bist du gekommen, um mich zu demütigen.“

Sebastian setzt sich auf ihr Bett und lächelt sie an.
„Du hast immer noch die schönsten Augen der Welt. Tut mir leid. Ich weiß auch nicht, was da passiert ist. Ich war eben völlig verzweifelt, du fehlst mir so.“

Elvira rückt näher und nimmt Sebastian in den Arm.
„Ich weiß auch nicht, ich habe irgendwie große Angst bekommen. Ich will nicht schon wieder leiden müssen.“

Ihre Lippen treffen sich zum Kuss. Ihre Hände suchen den Weg in die vertraute Zweisamkeit und irgendwann sind ihre Körper eins.

Endlich haben sie sich wieder gefunden und das trennende überwunden. Zärtlich haucht Elvira.

„So einen Unsinn machen wir nicht wieder. Jetzt haben wir schon die Hälfte der Reise verplempert.“

Sebastian haucht ihr zärtlich ins Ohr. „Dafür läuft unser Kreuzfahrtschiff aber endlich auf unserer Glückswelle.“

Elvira meint ausgelassen. „Dann könnten wir doch auch auf einem Kreuzfahrtschiff heiraten?“

Sebastian streichelt sanft über ihre Haare. „Ist das jetzt ein Heiratsantrag?“

Elvira feixt. „Heute macht den eben die Frau.“

Sebastian fährt über ihre Venushügel und meint.
„Ich denke, da muss Mann wohl ja sagen.“

Elvira stöhnt.
„Das machen wir dann aber richtig.“

Sebastian atmet schwer.
„Dann müssen wir aber eine neue Kreuzfahrt buchen.“

Elvira haucht.
„Was hast du denn gedacht, also wenn, dann wird das eine Reise ins Glück.“

© Bernard Bonvivant, Schriftsteller, Germany

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Mit Eis geschrieben

Mit Eis geschrieben


Ich liebte einst,
war sehr glücklich.

Ich wollte alles für die Ewigkeit aufschreiben,
wollte alles festhalten.

Den Baum im Garten
Das Laub am Ast
Meine Träume auch für die Zukunft
Meine Freuden und meine Trauer
Meine Liebe, meinen Schmerz
Augenblicke, Schwüre,
Versprechen, schöne Sätze

Nie dran gedacht, nie geglaubt auf ein Ende...
In meinem Eifer nahm ich ein Stift
ohne zu sehen _woraus_.

Schrieb alles wie im Trance auf
wollte jedem der Welt mitteilen..
Nicht nur in Liebe verweilen, raus schreien;

Hört bitte alle zu, lest meine Geschichte,
die schicksalhafte, traumhafte, einmalig schöne..

Nach Jahren machte ich mein Herz wieder auf,
Ich wollte nachlesen, was drin steht.

Ich suchte, suchte, fand nichts geschriebenes.

Keine einzige Zeile stand drin,
kein Wort war mehr vorhanden...

Als ich das merkte war ich schon ein Greis...
Ich schrieb anscheinend mit einem Stift-
aus Eis...

- Tedora- 7. Juli. 2006 00.30 Paraguay

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Medium Tedora

Ein Nachkomme der Göktürken aus dem Altai- Gebirge

Liebe: Alles Nix! Oder was?

Liebe: Alles nix! Oder was?


Die Rede ist natürlich von der Liebe
und dann gibt es auch gleich Hiebe.
Liebe kommt vom Herzen, aus dem Bauch.
Verwirrte Sinne, benebelt mit zartem Hauch.

Der Chemiker sagt dazu ganz gelassen:
Das sind primitive Schlüsselreize
aus einem angeborenen Urzeitprogramm.
Die Evolution findet solches biologisch sinnvoll.

Jetzt wird so langsam klar: Es ist der Botenstoff!
Gedopt wird auch dabei mit Dopamin.
Liebe ist also gedopter Leistungssport,
im Verbund mit einem Chemiecocktail?

Der Gipfel aber ist doch wahrlich die Idee,
mittels Chemie die ewige Treue einzuführen.
Können die uns Menschen nicht leiden,
oder tun sie uns die Liebe nur neiden?


© Bernard Bonvivant,
Autor des Romans « Das Chaos »

In eine neue Zeit der Liebe reisen

Ein blonder Engel am Morgen
vertreibt meist sofort die Sorgen.
Schnell ist der Reiz verflogen,
hat sich die Liebe davon gestohlen.

So manche Liebe verweht im Wind,
lässt zurück kein unschuldiges Kind.
Die Tränen im Auge füllen einen See.
Komm trinke beruhigenden Tee.

Voller Trauer, großer Schmerz,
die Liebe ist gestorben, kein Scherz.
Lass sie gehen in aller Stille.
Tue so, als sei es dein Wille.

Höre auf zu flehen oder gar zu klagen,
darfst neue Schritte ins Leben wagen.
Auf jedes Tief folgt ein Hoch,
du musst nur in Geduld warten noch.

Wie ein zarter Hauch kommt die Liebe,
erweckt in dir neue einzigartige Triebe.
Einer Blume gleich zur Blüte reifen,
in eine neue Zeit der Liebe reisen.


© Bernard Bonvivant

Sonntag, 26. September 2010

Die Liebesfee

Die Liebesfee

Auf ewig langen Pfaden durch das Leben gezogen, das Glück gesucht und doch nur Katzengold gefunden.

An die Liebe geglaubt und trotzdem seines Glaubens beraubt. Gehofft, gebangt, gekämpft und doch den Gral nicht gewonnen.

In einer stillen Minute ein Zwiegespräch geführt. Das Resultat eindeutig schmerzlich und wahr, das große Glück war diesem Leben nicht beschieden.

Hoffnung sollte im Herzen verbleiben und vielleicht das kleine Glück an einer verschwiegenen Ecke sich zeigen. Manchmal tut es gut, in Bescheidenheit und Demut durch die Welt zu wandeln.

Auf der Suche nach dem kleinen Glück steht plötzlich ein unscheinbares Wesen auf dem Lebensweg. Es schaut in die Augen, blickt tief in die Seele. Plötzlich spürende Wärme, eine fühlbare Nähe. Was will dieses Wesen sagen?

Aus Distanz versucht, die Gefühle zu verbergen, hinabsteigen in die Eiseskälte, gefrostet das Herz, verschlossen den Mund.

Das Wesen aber spricht. „Kennst du mich nicht? Unter diesem Himmelszelt ist ein jedem Menschen ein Seelenpartner beschieden.“

„Das kann nur eine Täuschung sein, viel zu oft im Leben genarrt und verblendet, so will der Verstand nicht mehr finden den Glauben. Damit ist ein für alle Mal Schluss!“

Das unscheinbare Wesen aber spricht. „Erlöst du mich, erlöse ich dich!“

„Solchen Unsinn mag so im Märchen beschrieben sein, doch in Wahrheit sieht es anders aus.“

Aus der Wesensmitte beginnt es sanft zu strahlen, eine warme Energie, erfasst das kalte Herz. Lässt es binnen Sekunden auftauen und die Sinne werden berauscht.

Funken sprühen, die Welt versinkt in einem Abendrot und der Mond scheint in strahlender Helle. Was mag nur hier geschehen?

Leise, zaghaft öffnet sich der Mund, haucht zärtlich leise Worte. Welche Kühnheit kommt so plötzlich ungeniert zu Tage.

Lippenpaare sich treffen, Donnern und Rauschen, Ouvertüre und Sinnlichkeit. Die Augenpaare strahlen sich an, das Lächeln sagt mehr als tausend Worte. Auf einmal scheint alles wunderbar und klar.

Das unscheinbare Wesen ist längst bezaubernd, betörend geworden zur schönen Frau. Was braucht es Verstand, wenn längstens die Herzen regieren.

Zwei Herzen tanzen im Reigen, ein Meer aus Blumen wiegt sich sanft in dieser zarten Brise und die Vögel stellen sich zum Konzert ein. In der Luft schweben leichte sommerliche Düfte.

Die Sterne funkeln wie ein Meer aus Juwelen und ein Feuerwerk der Sternschnuppen prasselt auf die Erde hernieder. Ihre zarte Haut verströmt das Liebesaroma, ihre Lippen schmecken voller sinnlicher Süße.

Zarte Knospen beginnen zu sprießen, streichelnd und liebkosend die Haut. Gefühle lösen alle Bedenken auf, zwei Körper verschmelzen zu einer gemeinsamen kleinen Welt. Der Geliebten die Hände verwöhnt anschließend im Überschwang die Füße liebkost.

Die Liebesfee engumschlungen, nicht endend wollende Zärtlichkeit. Amor sendet seine Pfeile aus und Aphrodite applaudiert von ihrem Throne, dass zwei Menschen endlich sich gefunden.

Die liebenden Herzen in Glückseligkeit verbunden, wandeln nun auf gemeinsamen Pfaden. Endlich ist das Zeitalter des großen Glückes angebrochen.

Der neue Morgen dieser Liebe möge ewiglich im goldenen Schein erstrahlen.


© Bernard Bonvivant, Schriftsteller, Germany

Samstag, 25. September 2010

Rudi und die Frau für ein Leben

Rudi und die Frau für ein Leben


Rudi war ein gutaussehender Mann, nur leider fand sich
nicht die richtige Frau für ein gemeinsames Leben.

Woran mochte solches liegen? Hatte er zu hohe Ansprüche?
War er gar ein Hallodri?

Er stand mit beiden Füssen auf dem Boden, nur bei den Beziehungen zu Frauen griff er immer daneben.

Vor ein paar Wochen traf er in einem Supermarkt die Frau für ein Leben. Die Dame war Mitte dreißig, blond, gertenschlank und hatte einen nicht zu übersehenden Busen.
Ihre blonden langen Haare umhüllten das Gesicht eines Engels und mittendrin leuchteten ein paar warme, braune Augen. Ihrer Kleidung nach musste diese Frau der gehobenen Gesellschaft angehören.

Es passierte zweierlei, ihre Augen trafen sich, um Rudi war es geschehen. Das Glas Gurken in seiner Hand glitt zu Boden. Der Aufschlag des Glases, das zerplatzende Glas, die sich auf den Boden ergießenden Gurken, in aromatischer Würze eingelegt; alle diese Sekunden hatte er nicht einmal mitbekommen.

Die Augenpaare verschmolzen ineinander, die Welt um sie herum verschwamm in einem grauen Schleier.

Eine Verkäuferin schüttelte nur den Kopf und bekümmerte sich um die Sauerei am Boden. Diese Arbeit wurde ihr zudem erschwert, der Mann stand wie eine Wachsfigur zwischen den Regalen, auch die Dame seines Herzens schien am Boden festgeklebt zu sein. Ihre Herzen tanzten dagegen Walzer im Dreivierteltakt.

Die Verkäuferin maulte. „Gehen sie endlich zur Seite!“ Keine Reaktion, Rudi schien seine Außenwelt nicht mehr wahrzunehmen. Die Verkäuferin stellte sich demonstrativ vor den Mann und schrie.

Zwei Regalreihen weiter hielt sich der Marktleiter die Ohren zu. Er kam natürlich sofort angelaufen, um seine Mitarbeiterin zur Rede zu stellen. Angesichts dieser Situation war er aber auch nur sprachlos, so etwas hatte er noch nie in seinen dreißig Jahren als Marktleiter gesehen.

Eine Gruppe von neugierigen Kunden hatte sich bereits um das Geschehen aufgebaut. Ein Mann äußerte sich in mehr als abfälliger Weise. Rudi hingegen schritt endlich auf die Frau zu, diese reichte ihm wie in Trance die Hand. Er ergriff ihre Hand, hielt sie behutsam, fast zart in seiner Hand.

Das Paar verließ den Supermarkt.

Die Verkäuferin zeigte auf die beiden Einkaufswagen. „Was passiert damit?“ Der Markleiter stöhnte. „Das weiß ich jetzt auch nicht! Ich denke die werden im Moment an so etwas nicht denken.“ Die Verkäuferin meinte. „Schöne Bescherung und ich darf die Ware wieder in das Regal zurückbringen. Eigentlich gehören solche Menschen nicht auf die Strasse.“

Eine ältere Frau kicherte verlegen. „Das müsste mir Mal passieren.“
Der Markleiter grinste. „Ich denke der Ehemann wird den Typen durch die Strassen dieser Stadt jagen.“

Das interessierte Rudi an der Stelle wenig, er genoss die Zeit mit Krystyna Dzierwa. In beiden Menschen war eine Liebe entflammt und sie vergaßen ihre Umwelt.
Krystyna war aus Polen nach Deutschland gekommen, sie wollte hier in ihrem Beruf als Verkäuferin arbeiten. Leider hatten ihre Anwerber in Polen, sie für einen anderen Job vorgesehen. Sie sollte in einem Bordell anschaffen. Krystyna war dort nicht einmal einen Tag geblieben, sie war bei der ersten Möglichkeit geflohen.

Ihr Weg führte sie direkt in die Arme einer älteren Dame, diese war überaus froh, eine Gesellschafterin gefunden zu haben. Sie kleidete Krystyna ein und hatte ihr ein Dach über dem Kopf gegeben.

Die alte Dame nahm die Beziehung zu Rudi sehr gelassen auf. Ihre einzige Bitte war, Krystyna sollte ihr weiterhin als Gesellschafterin zur Verfügung stehen.
Das Paar schwebte auf Wolken, getragen von einer großen, einzigartigen Liebe.
Krystyna meldete ihre Ausweispapiere als gestohlen. Die polnische Botschaft sicherte ihr zu, so bald als möglich neue Papiere zu übergeben. Natürlich mussten dafür eine Reihe Anfragen in ihrer polnischen Heimat gestellt werden. Irgendwie mussten auch die Vermittler in Kenntnis gesetzt worden sein. Sie standen eines Morgens vor der Haustür und wollten Geld sehen.

Rudi vereinbarte mit ihnen einen Übergabetermin, schließlich brauchte er Zeit um das Geld zu besorgen. Die alte Dame schaltete hingegen einen guten Bekannten, einen ehemaligen Polizeidirektor ein.

Am Abend der Geldübergabe durften die Geldeintreiber leider nicht über Los, sondern mussten direkt in die Gefängniszelle. Krystyna hingegen erhielt ihren Ausweis und ihren Reisepass zurück.

Überglücklich meinte Rudi. „Jetzt können wir doch das Aufgebot bestellen?“ Die alte Dame meinte lächelnd. „Ich denke Rudi, du hast etwas vergessen. Ich weiß auch schon wie ihr das gelöst bekommt.“ Sie verschwand für einige Minuten, um anschließend Rudi einen Ring mit Rubinen zu überreichen. Der stammelte verlegen. „Diesen Ring kann ich nicht annehmen, der ist viel zu wertvoll.“

Die alte Dame meinte. „Der ist doch nicht für dich, der ist für Krystyna.“ Rudi nahm die Hand seiner Geliebten, streifte ihr über den Ringfinger der linken Hand den Ring. Anschließend ging er vor ihr auf die Knie. „Du bist die Frau für ein Leben. Krystyna, willst du meine Ehefrau werden?“

Krystyna strahlte, ein leichtes zartes Rosa legte sich auf ihre Wangen. Ihre warmen Augen sagten bereits ja, ehe die Lippen noch die Worte formten. „Ja, ich will deine Ehefrau werden. Du bist der Mann für ein Leben.“

So hat Rudi am Ende doch noch die Frau für ein Leben gefunden.

© Bernard Bonvivant

Dienstag, 21. September 2010

Madame Elaine Perrault

Madame Elaine Perrault


Am frühen Morgen ist Serge in meiner Begleitung mit dem kleinen Boot hinausgefahren. Unser Ziel war eine Stelle, an der es Langusten gibt. Erfreut stellen wir fest, vier große Langusten sind unser Fangergebnis. Schweigend fahren wir zurück zu unserer Bootsanlegestelle. Ich nehme meine Angelausrüstung und setze mich auf die Kaimauer.

Serge zündet sich eine Gitanes an und hüllt sich gleich in weißen Rauch ein. „Willst du auch eine Gitanes, Jean?“ Er hält mir die Packung unter die Nase. „Serge behalte bitte die Sargnägel für dich.“ Serge ereifert sich. „Na höre Mal, ausgesprochen freundlich bist du an diesem Morgen nicht. Ich biete dir eine Zigarette an und du quatschst irgendeinen Blödsinn von Sargnägeln.“ Ich atme tief durch und lache. „Das ist meine Art von Galgenhumor.“

Serge schaut mich besorgt an. „Du fällst mir noch von der Kaimauer ins Wasser. Was glaubst du eigentlich, was du da machst?“ „Ich angele, das sieht man doch!“ Serge grinst. „An dieser Stelle wirst du noch in drei Tagen sitzen und kein Fisch wird anbeißen.“ Ich verteidige mich. „Ich habe einen erstklassigen Köder.“ „Das ist keine Frage des Köders, diese Stelle ist ungeeignet.“ „Lieber Serge, du bist Chefkoch und kein Fischer.“ „Lieber Jean, du bist garantiert kein Fischer.“

In meinem Rücken erklingt eine weibliche Stimme. „Was machst du auf der Kaimauer, Jean? Wo sind meine Langusten?“ Serge zeigt auf das Boot. „Habe ich dich gefragt? Bekomme ich bald eine Antwort, Jean.“ Ich klettere von der Mauer und lege meine Angel auf die Brüstung. „Kein Wunder, hier kann kein Mensch einen Fisch fangen, bei dem Lärm.“

Madame Elaine Perrault klatscht in die Hände. „Auf! Auf! Zeige mir den Fang.“ Ich gehe zum Boot und werfe einen Blick auf die Reuse. „Es sind vier Madame.“ Die Dame betrachtet den Fang genauer und nickt zustimmend. „In Ordnung, bringt die Langusten zum Haus. Die wird es heute anlässlich meines Geburtstages geben. Ich muss noch ein paar Erledigungen machen. Wir sehen uns dann später.“ Sie drückt mir einen zarten Kuss auf meine linke Wange.

Serge schaut mich fragend an. „Was willst du, Serge?“ „Hast du gewusst, dass sie heute Geburtstag hat.“ „Nein, ich habe es vergessen.“ Serge haut sich mit der flachen Hand an die Stirn. „Wie blöde bist du eigentlich? Lass mich raten, du hast natürlich auch kein Geschenk für Madame!“ Ich zucke mit den Achseln. „Vergessen.“ Serge brüllt. „Du hast was? Vergessen! Bist du eigentlich noch ganz normal. Eine Frau wie diese bekommst du so schnell nicht mehr.“

Wir tragen die Langusten zum Haus. „Wer sagt überhaupt, dass ich Madame will?“ Serge wütend. „Ich! Du Schwachkopf! Manchmal frage ich mich, ob du überhaupt in deinem Kopf so etwas wie Intelligenz hast? Du bist ein typischer Mann! Vergisst den Geburtstag seiner Angebeteten.“

Wir stellen das Behältnis mit dem Fisch auf dem Küchentisch ab. Die Köchin schaut mürrisch zu uns herüber. „Wie ich sehe, darf ich wieder die Arbeit machen. Wieso kocht heute eigentlich nicht der 5 Sternekoch, Monsieur Serge?“ Serge zieht tief Luft ein. „Eine noch dümmere Frage kann diese Köchin nicht stellen! Monsieur Serge hat zurzeit Urlaub. Das steht groß an der Tür meines Restaurants verkündet.“ Die Köchin mault. „Wenn ich die Herren so betrachte, dann habe ich das Gefühl, sie haben das ganze Jahr Urlaub.“

Das reicht, zu mindestens uns. Wir kehren ihr den Rücken zu und verlassen verärgert ihr Küchenreich. Serge zeigt zur Kellertür. „Sollten wir nicht ein wenig Wegzehrung mitnehmen? Ich denke der Keller wird uns mindestens zwei Flaschen Chablis hergeben.“ Ich flüstere leise. „Die Köchin zählt die Flaschen.“ Serge grinst. „Und hat die hier etwas zu melden?“ „Nein! Natürlich nur Madame Eliane Perrault.“

Wir steigen die Stufen hinab in den Weinkeller und Serge meint beiläufig. „Mache mir einen Gefallen und lasse den ganzen Unsinn weg. Sie heißt Elaine, wann begreifst du das?“ Ich suche derweil den Wein aus. „Wenn dir so viel an ihr liegt, Serge, dann heirate doch deine Elaine.“ Mein Freund schüttelt den Kopf. „Ich würde sie sofort heiraten, Elaine will aber dich. Eine bessere Partie findest du in der ganzen Bretagne nicht. Die Frau hat Geld, sieht gut aus und akzeptiert einen Lebenskünstler wie dich. Was willst du eigentlich noch mehr?“

Ich habe endlich den Wein gefunden und lege die Flaschen in einen Weidenkorb. Serge hat einen Flaschenöffner und zwei saubere Gläser entdeckt. „Junge, Junge, ich werde Elaine sagen, dass du sie liebst und jetzt hauen wir endlich ab, bevor die alte Köchin uns noch verdrischt.“ Serge nimmt mir den Korb ab. „Nur damit du Bescheid weißt, wir gehen jetzt erst einmal für Elaine ein Geschenk besorgen.“ Ich muss anlässlich dieser Hartnäckigkeit grinsen.

„Heute mein Freund ist Sonntag, da werden wir wohl allenfalls ein paar Feldblumen auftreiben.“ Serge tippt mir auf die Brust. „Du wirst ihr ein anständiges Geschenk überreichen und wenn ich die Ladenbesitzer einzeln in ihre Geschäfte schleppen muss.“ Das beeindruckt mich nun überhaupt nicht, große Sprüche waren ein Bestandteil seines ganzen Lebens.

Ich will nicht verhehlen peinlich ist mir die Angelegenheit schon. Während wir das Haus verlassen, kommt mir ein Gedanke. Wie kann Madame Elaine Perrault an einem Sonntag noch Erledigungen machen? Vielleicht hat sie gar einen Freund, den Apotheker, Arzt oder den Bäcker, wer weiß schon was in einer Kleinstadt so alles hinter dem Rücken der Öffentlichkeit passiert?

Der alte Fuchs, Serge, stellt den Weidenkorb auf dem Boot ab. Anschließend gehen wir durch die Innenstadt. Wie ich vermutet habe, sind an diesem Sonntag die Geschäfte zu. Lediglich eine Art Trödlerladen hat geöffnet. Eine junge Dame schleppt gerade Kisten in das Geschäft. Wir folgen ihr und schauen uns die Auslagen an.

Irgendwann bemerkt die junge Frau ihre Besucher. „Hallo! Meine Herren heute ist Sonntag, da habe ich geschlossen.“ Ich lächele sie freundlich und ergeben an. „Entschuldigung, Madame, meine Freundin hat heute Geburtstag und ich möchte ihr noch ein Geschenk besorgen.“

Die junge Dame schüttelt missbilligend den Kopf. „ Ich frage mich immer wieder, was wir Frauen an euch Männern finden? Ihr vergesst ohne Not unsere Geburtstage, Verlobungstage, Heiratstage und was weiß ich alles. Na gut, eine Ausnahme, aber nur eine und nur an diesem Sonntag. Verstanden!“

Serge nickt zustimmend. „Mir passiert so etwas nicht, dem Typ hier laufend.“ Die junge Dame schaut sich in ihrer Auslage um. „Was soll es sein? Wie alt ist die Dame? Wie heißt Madame?“ Wahrheitsgemäß antworte ich. „Madame Elaine Perrault und es ist nicht anständig, über das Alter einer Dame zu reden.“

Die junge Frau wird bleich im Gesicht. „Sie meinen doch nicht etwa die Perrault mit dem großen Anwesen?“ Ich frage etwas amüsiert. „Gibt es noch mehr von der Sorte?“ Die junge Dame verneint. „Ich glaube kaum. Das Geschenk für die Dame hätte ich.“
Sie geht zu ihrem großen Ladentisch und öffnet eine Schublade. Zum Vorschein kommt eine Schmuckschatulle. Die Frau stellt die Schatulle auf dem Ladentisch ab und öffnet das Kästchen. Was ich nun sehe, verschlägt mir den Atem. Vor meinen Augen kommen eine Kette, ein Armband und ein Ring zum Vorschein, die mir mehr als bekannt vorkommen. Ich frage leise. „Woher stammt dieser Schmuck?“

Die junge Frau zuckt nicht wissend mit den Schultern. „Ich habe den Laden vor ein paar Monaten übernommen, nach dem ich mein Studium in Paris beendet habe. Merkwürdig ist, der Schmuck war bereits hier in diesem Tisch. Fragen Sie mich bitte also nicht nach seiner Herkunft. Es erscheint mir allerdings, als sei er ist ihnen wohlbekannt?“ Serge stupst mich an. „Die Dame hat dir eine Frage gestellt.“

Ich nicke. „Ich kenne diesen Schmuck, dieses Kunstwerk ist in der Zeit Napoleons Bonaparte angefertigt worden von einem Juwelier in Paris. Dieser Schmuck gehörte einer bedeutenden Frau.“ Die junge Frau schaut mich überrascht an. „Dann ist der Schmuck sehr viel Geld wert?“

„Das kann ich nicht beurteilen aber ich würde schon behaupten wollen, dass er auf einer Auktion sehr viel einbringen könnte. Der Schmuck selbst dürfte aber bestimmt immer noch als gestohlen gelten.“ Serge schüttelt den Kopf. „Du willst doch nicht behaupten, die junge Dame habe den Schmuck gestohlen?“

„Nein! Das ist doch viel früher passiert. Die Frage ist doch nur, wie viel soll der Schmuck kosten? Ich möchte die Dame nicht über das Ohr hauen.“ Die junge Frau lächelt mich freundlich an. „Sie hätten mir nichts erzählen müssen, Monsieur. Meine Preisvorstellung wäre erst einmal zweihundert Euro gewesen. Was halten Sie von dem Preis?“

Ich besitze tatsächlich noch dreihundertfünfzig Euro vor der Pleite. Im Grunde verdanke ich Madame Elaine Perrault eine ganze Menge. Irgendwie werde ich auch das Gefühl nicht los, diesen einzigartigen Menschen schon seit sehr langer Zeit zu kennen. Mein Entschluss steht fest.

„Jawohl, Madame, ich werde ihnen den Schmuck für diesen Preis abkaufen. Gerne würde ich ihnen mehr geben, nur meine Vermögensverhältnisse lassen dies augenblicklich nicht zu.“ Die junge Dame grinst. „Es würde mir schon zur Ehre gereichen, wenn sie mich bei Madame positiv erwähnen.“

Ich verneige mich vor ihr. „Das werde ich selbstverständlich tun. Ich habe übrigens gelesen, sie restaurieren auch Bilder, Madame hat eine große Gemäldesammlung zeitgenössischer alter Meister. In dem Bereich gibt es eine Menge Arbeit.“

Die junge Dame hält mir das verpackte Geschenk vor die Nase. „Sehen Sie, Monsieur, so können wir uns doch gegenseitig helfen.“ Ich reiche ihr das Geld und sie bedankt sich. „Es hat mich gefreut mit Ihnen Geschäfte machen zu dürfen, Monsieur.“ Ich reiche ihr die Hand. „Die Ehre ist ganz auf meiner Seite, Madame.“

Auf der Straße meint Serge. „Damit du es weißt, du hast die Kleine ganz schön angebaggert. Das ist nicht fair gegenüber, Elaine.“ Ich bleibe stehen und mustere ihn aus meinen dunklen Brillengläsern. „Ich habe mit der jungen Dame lediglich Konversation betrieben.“ Serge faucht wie ein Walross. „Du bist und bleibst ein alter Frauenbetörer!“

Ich lache laut auf. „Ich habe noch ganze hundertfünfzig Euro vor meiner endgültigen Pleite. Willst du mir meinen letzten Stolz auch noch nehmen?“ Serge schaut mich bekümmert an. „So schlimm steht es um dich?“

„Ja! Ich habe sogar die Auftragsarbeit angenommen, die Memoiren eines adligen Spaniers zu schreiben.“ Serge klopft mir mitleidig auf die Schultern. „Weißt du was, darauf nehmen wir einen Chablis. Die Welt sieht gleich besser aus. Dir scheint es ja mächtig dreckig zu gehen. Was ich nicht verstehe, warum nimmst du nicht Elaine zur Frau?“

Ich winke ab. „Wie soll ich um ihre Hand anhalten. Vielleicht mit dem Spruch, ich bin chronisch pleite und auch ansonsten ist nicht mehr viel mit mir los. Was hätte ich zu bieten, was eine Frau interessieren könnte?“

Serge sieht diese Sache vollkommen anders. „Im Leben geht es nicht immer nur ums Geld. Du bist liebenswürdig, zuverlässig und anständig. Du kannst sehr charmant sein und eine Frau fühlt sich durchaus in deiner Gegenwart wohl. Glaubst du etwa solche Werte, zählen nicht?“

„Um ehrlich zu sein, Serge, in dieser Welt zählen solche Werte rein gar nichts, da zählt nur die Kohle.“

Serge betritt vor mir das Boot. „Ich weiß nicht, wenn die Welt tatsächlich nur noch so wäre, dann wäre es eine schlechte Welt.“

„Das mein Freund, kommt auf die Seite des Betrachters an. Die Menschen haben ein gutes Recht auf ihr eigenes Leben und Gedankengut. Die Masse der Menschen hat sowieso keine Zeit mehr, die hetzen nur noch hinter ihren vermeintlichen Erfolgen und Gelderträgen her.“

Serge grinst. „Na, wenn das so ist, dann wollen wir jetzt ganz gemütlich unseren Chablis genießen. Übrigens was würdest du zu einem Stück Käse sagen?“ Ich nicke zustimmend. „Käse esse ich immer gerne.“

Während wir gemütlich über Gott und die Welt plaudern, nähert sich uns bereits Madame. Sie taucht plötzlich und vor allem von uns unerwartet auf.

Natürlich bin ich überrascht, ihr Aussehen lässt keine Zweifel mehr offen, sie muss einen Liebhaber haben. Ob es der Friseur ist? Nein! Der Bock ist schließlich zu alt. Sie fragt ganz ungeniert. „Was bewunderst du mich so, Jean?“

Bewundern? Ich doch nicht! Ich frage mich eher, welcher Kerl dahinter steckt, obschon es mich doch überhaupt nichts angeht. Stattdessen versuche ich mich in Schadensbegrenzung.

„Madame haben ihre Haare verändert.“ Sie setzt sich neben mich und das Unheil nimmt seinen Lauf. Es knackt leicht unter ihrem Gesäß, beim Versuch sich zu setzen. Madame schaut nun genauer nach. Es gibt keine Chance mehr das Missgeschick zu verhindern.

Unter meiner Nase winkt nun ein Geschenk. „Was bitte ist das für ein Geschenk, lieber Jean?“ „Das Madame Perrault ist ein Geschenk für das Geburtstagskind.“ Elaine kichert. „Serge, was hat der schon getrunken?“ Der bekreuzigt sich. „Madame Perrault, garantiert nur ein Glas Wein, ich schwöre es bei allem, was mir heilig ist.“ Nun lacht Madame laut schallend. „Das kann nicht besonders viel sein, Serge. Jetzt zu dir mein Liebster, wann gewöhnst du dir endlich dieses Madame vorne und hinten ab. Ich heiße Elaine, ist der Name so schwer auszusprechen?“

„Nein, ich meine, ich will sagen.“ Elaine fährt mir über den Mund. „Es wäre gescheiter du machtest einfach für die nächste Zeit deinen Mund zu, sonst verdirbst du mir noch die Freude. Darf ich mein Geschenk auspacken?“

Ich nicke zustimmend und bleibe artig ruhig. Serge hingegen grinst sich voll eins weg. Tolle Leistung auf Kosten anderer! Elaine hat die Schmuckschatulle bereits auf ihren Beinen liegen. Ungefragt nimmt sie mein Weinglas aus der Hand und trinkt einen Schluck von meinem Wein. Serge grinst mich jetzt noch breiter an. Ich hingegen habe ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend und eine Art von Ahnung beschleicht mich, gleich wird es noch heftiger zu gehen. Madame öffnet den Deckel und ein merkwürdiges Strahlen liegt plötzlich auf ihrem Gesicht. Sie streichelt zart den Schmuck.

Serge meint ruhig und gelassen. „Ein schöner Modeschmuck, wenn auch nicht ganz alltäglich.“ Madame Perrault hebt den Kopf, schaut verständnislos Serge an. „Du alter Schwachkopf! Du hast doch wirklich keine Ahnung, allenfalls von deinen Kochtöpfen.“

Serge nimmt es ihr keineswegs Übel, er gießt sich ein Glas Chablis ein und prostet ihr zu. „Auf ihr Wohl, Madame.“ Elaine drückt mich an sich und gibt mir einen Kuss. Serge witzelt. „Muss Liebe schön sein, wenn ich groß bin, will ich auch einmal.“ Elaine lächelt mich an.

„Woher wusstest du?“ „Ich habe es gefühlt, dieser Schmuck ist von großer Bedeutung.“ Elaine nickt bedeutungsvoll. „Ja, dieser Schmuck ist von sehr großer Bedeutung für die Frauen des Hauses Perrault. Leider wurde er uns gestohlen. Jetzt kehrt er endlich in unseren Besitz zurück.“ Elaine streift sich das Armband an, legt sich die Kette um und reicht mir den Ring. „Kannst du mir bitte den Ring überstreifen?“

Ich ahnungsloser Mensch tue es natürlich, aus reiner Höflichkeit versteht sich. Ob dieses für mich Folgen haben wird?

Elaine streckt die Hand aus in Richtung Serge. „Siehst du Serge, jetzt habe ich doch noch meine Geburtstagsüberraschung bekommen, das ist mein Verlobungsring.“

Ich bin wohl überrumpelt worden oder sehe ich die Angelegenheit im falschen Licht? Ich bekomme ganz schnell Klarheit. Elaine gibt mir einen Kuss auf den Mund. „Jetzt sind wir Verlobte, Jean. Du willst mich doch?“

Mache jetzt bloß keinen Fehler Jean, dazu, habe ich keine Zeit, zu sehr bin ich sprachlos. Mein Gefühl in der Magengegend und diese komischen Schmetterlinge haben mich also nicht betrogen. Allerdings es ist noch nicht vorbei, im Gegenteil es ist noch schlimmer geworden, ich brenne voller Leidenschaft und Liebe.

Die Ernüchterung bringt Serge. „Was ist also an dem Schmuck echt? Der liegt so einfach in einer Ladentheke rum, das ist doch merkwürdig.“ Elaine grinst. „Dieser Schmuck, mein Bester, wurde in Paris hergestellt mitten in den Wirren der Französischen Revolution. Diese grünen Steine sind Smaragde, eingefasst mit weißen Perlen und das, was hier so funkelt, sind Diamanten. Hast du noch eine Frage?“ Serge, der gerade genüsslich an seinem Rotwein kostet, verschluckt sich.

Elaine nimmt das Geschenkpapier und stutzt. „Jean, wer ist diese Nadine Perrault?“ Ich antworte nach besten Wissen und Gewissen. „Ich kenne keine Nadine Perrault.“ Madame nimmt ihren Zeigefinger, um mir deutlich zu machen, was sie von Falschaussagen hält. „Schwindele mich nicht an, du kennst die Dame.“ Ich grinse sie an. „Also wirklich Elaine, kaum bist du verlobt, da machst du schon Eifersuchtsszenen.“ Ihre Antwort hält sie mir vor meine Augen. Ich lese deutlich, Nadine Perrault, Rue de l´odéon 14, 6 arrandissement Paris.

„Das muss wohl die junge Dame in dem Laden erklären können. Ich muss zugeben ich habe nicht nach ihrem Namen gefragt. Eigenartig ist nur, sie bat mich um eine Empfehlung. Immerhin versteht die Frau sich auf die Restaurierung von Gemälden.“ Elaine klatscht in die Hände. „Gut mein Lieber, dann lass uns die junge Dame aufsuchen. Ich möchte das Mädchen sehen und mit ihr reden.“ Ich erhebe mich.

Serge hingegen meint trocken. „Ihr zwei Turteltäubchen habt sicher nichts dagegen, wenn ich euren Chablis mittrinke.“ Eine Antwort bekommt er nicht, wir sind auf dem Weg zu diesem kleinen Trödlerladen.

Ehrlich gesagt, ich habe wenig Hoffnung dort noch eine offene Tür vorzufinden. In dem Punkt irre ich gewaltig. Die Tür zu dem Laden steht wie am Morgen offen. Ich lasse Elaine den Vortritt. Nun gibt es Erscheinungen im Leben, die sind nicht nur merkwürdig, sondern haben den Beigeschmack der Mystik.

Während Elaine sich in dem Geschäft umsieht, mache ich im Nebenraum eine für mich ungeheuerliche Entdeckung. Vor meinen Augen steht die Glasvitrine von Napoleon Bonaparte. Das kann nun wirklich jeder Mensch behaupten. Das Einzigartige sind die Bewohner dieser Vitrine. Es sind alle Soldaten des napoleonischen Heeres vertreten, vom Trommler bis zum General. Die Figuren sind aus Zinn gegossen und ihre Kleidung und jeweilige Bewaffnung ist bis ins kleinste Detail vorhanden. Dieser Anblick versetzt mich in meine Jugend. Oft habe ich vor dieser Vitrine gestanden und die Figuren bewundert, da war Ehrfurcht in mir. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, diese Figuren zum Spiel zu nutzen. Kein Mensch musste mir erklären, welchen ungeheuerlichen Wert diese Sammlung hatte. Meine Großmutter war gezwungen gewesen aus Geldnot diese Vitrine zu verkaufen. Das habe ich nie verstanden, geschweige denn wirklich begreifen wollen. Bittere Tränen waren geflossen und tiefe Trauer hatte mein so junges Herz erfasst. Ich hätte nie in meinem Leben geglaubt, dieser Vitrine jemals wieder zu begegnen. Jetzt stehe ich unmittelbar davor und fasse mein Glück kaum.

Elaine steht still hinter mir, lehnt sich an den Türrahmen. Sie hat sofort erkannt, um welche Sache es geht. „Das ist die Vitrine aus eurem Salon. Ich kann mich gut daran erinnern, davor stand der Flügel und an der Wand das Klavier. Ihr hattet damals noch Geld.“ Ich sage ein wenig ernüchtert. „Wir haben alles verloren.“ Elaine sagt zärtlich. „Das stimmt so nicht. Betrachte es genau, du hast das Vermögen und die Macht verloren; aber nur um daraus zu lernen. Außerdem hat die Familie Perrault in dieser Zeit im Gegenzug ein Vermögen aufgebaut. Du hattest hingegen die Zeit zur Reife und jetzt bekommst du die Frau und die Macht. Was gilt es, nun noch der Vergangenheit nach zu trauern. Die Vitrine werden wir kaufen und damit wäre dann wohl die Angelegenheit geklärt.“

Ich nicke zustimmend. „Dein Einwand stimmt, es ist nicht gut der Vergangenheit nachzutrauern, darüber wird oft die Zukunft verschlafen.“

Elaine scheint zufrieden. „Gut, wenn du diese Fakten erkannt hast. Jetzt bleibt nur noch die Frage. Wo steckt diese junge Dame?“

Diese Frage ist gut, immerhin sind wir schon eine geraume Zeit in diesem Laden. Wenn es in unserer Absicht liegen würde, so hätten wir genügend Zeit gehabt, um das Geschäft auszuräumen. Ich finde diese Situation merkwürdig und verlasse das Geschäft. Elaine folgt mir instinktiv. „Spürst du auch, hier stimmt etwas nicht, Jean. Das Mädchen ist sicher in Gefahr.“

Genau, ich habe so ein merkwürdiges Gespür. „Du bleibst vor dem Laden, Elaine. Ich werde mir das Haus genauer ansehen.“ Ich betrete erneut das Geschäft und suche nun alle Räume systematisch ab. Aus einem der Zimmer höre ich ein Stöhnen. Langsam öffne ich die Tür und werfe einen Blick in den Raum. Am Boden liegt eine Frau und auf der Frau liegt ein Schrank. Ihre Augen schauen mich hilfesuchend an.

Während ich die Tür weiter öffne. stürmt Elaine bereits an mir vorbei. „Madame Perrault, sie schickt der Himmel.“ Elaine schaut mich fragend an, doch ich weiß hier im Moment auch keine Antwort. Vielleicht ist man sich irgendwann in Paris über den Weg gelaufen.

Elaine beugt sich besorgt über die junge Frau. „Was haben Sie angestellt?“ Die junge Frau seufzt. „Ich wollte den Schrank aufbauen und dann ist plötzlich alles zusammengebrochen und ich mittendrin. Ich bin so unglücklich gefallen, ich kann mich nicht selbst befreien.“ Ich nicke. „Das sehe ich. Haben Sie vielleicht Schmerzen?“

„Nein! Ich habe Angst.“ „Das finde ich gut, sie sind wenigstens ehrlich. Ich werde jetzt langsam das Holz über ihnen beiseiteschaffen.“ Gemeinsam mit der Hilfe von Elaine schleppen wir die Einzelteile zur freien Wand und lehnen sie dort an. „Jetzt weiß ich auch, warum sie sich nicht befreien konnten. Dieser Schrank ist aus Massivholz.“

Irgendwann ist die junge Frau endlich von allem Mobiliar befreit. Steht sie nun auf? Nein! Sie bleibt einfach am Boden liegen. Elaine macht es schon, sie reicht ihr die Hand. „Aufstehen, junge Dame.“

Die Hand wird ergriffen und Augenblicke später steht unsere verhinderte Möbelbauerin auf zwei Füssen vor uns. Sie streckt und bewegt sich, augenscheinlich ist der Körper heil geblieben. Elaine löst die Anspannung im Raum auf. „Woher kennen Sie mich eigentlich?“

Die junge Frau, ein wenig verlegen. „Ich glaube wir sind verwandt.“ Elaine schaut ihr tief in die Augen. „So, so, die junge Dame glaubt. Was so viel heißt wie, ich weiß es nicht mit Sicherheit. Dann ist es wohl eher Unsicherheit.“ Die junge Dame schaut unter sich. „Entschuldigung, Madame.“

Elaine nimmt ihr Gegenüber in den Arm. „Es gibt doch keinen Grund sich zu entschuldigen auf der Suche nach der Wahrheit. Erzähle mir deine Geschichte.“

Die junge Frau erzählt, von der Mutter, welche bei ihrer Geburt stirbt. Der Vater Maler, Künstler, Alkoholiker und Spieler. Er hat das ganze Vermögen durchgebracht und sich dann einfach drei Meter tiefer gelegt. Sie, ihr Name ist Nadine, war damals gerade 18 Jahre alt. Sie hat sich auf die Suche nach Verwandten gemacht, doch keiner wollte ein Habenichts im Haus. Der Vermieter hatte als einzige Person Mitleid mit ihr und stundete ihr die Miete. Sie hat gemodelt, gekellnert und wenn gar nichts mehr ging geputzt. Ihr Studium hat sie sich so finanziert. Ihre Studienkollegen hatten wenig Verständnis, wie auch, sie hatte nie Zeit, um an Feten oder Veranstaltungen teilzunehmen. Im letzten Monat schrieb ein Notar, sie habe ein Haus geerbt in der Bretagne. Es war die Schwester der Mutter, sie hat nicht einmal gewusst, dass ihre Mutter eine Schwester hatte. Tränen stehen in ihren Augen.

Ich spüre Elaine lässt dieses Schicksal nicht kalt. „Jetzt hast du mir so viel erzählt aus deinem Leben mein Kind, aber wer dein Vater war, das weiß ich immer noch nicht.“ Nadine nickt tapfer. „Ich weiß, Madame, sie werden ihn sicher nicht kennen. Er hieß Gilbert Perrault.“

Elaine fasst sich mit beiden Händen an den Kopf. „Mein Gott, das ich da nicht von alleine drauf gekommen bin. Wer sonst als dieser total verrückte und bescheuerte Gilbert kann so etwas seinem Kind antun. Du musst wissen, dein Vater war das schwarze Schaf in der Familie. Wenn einer Mist gebaut hat, dann war es garantiert Gilbert. Weißt du was, wir bringen dein Leben jetzt auf Vordermann. Nicht wahr Jean? Wir haben selbst keine Kinder also kümmern wir uns um dich. Ich habe heute Geburtstag und damit fangen wir an.“

Nadine schaut etwas irritiert in die Runde. „Ich habe leider nichts anzuziehen. Was sollen die Leute denken?“ Elaine fragt neugierig. „Welche Leute? Zu meinem Geburtstag kommen nur Serge und du. Ich frage schon lange nicht mehr danach, was die Leute über mich denken oder schreiben. Für diese Lebenseinstellung habe ich allerdings auch ein paar Jährchen gebraucht. Jetzt habe ich nur noch ein Anliegen, die napoleonische Glasvitrine, dafür werde ich dir einen ordentlichen Preis bezahlen. Schließlich brauchst du für deine Zukunft eine gute finanzielle Basis.“

Nadine fragt. „Von welcher Glasvitrine reden wir hier eigentlich?“ Elaine nimmt Nadine an der Hand und flüstert zu mir. „Bleibe du hier, ich möchte mit ihr alleine reden.“

„Nein, ich gehe lieber zu Serge auf das Boot.“ „Ist gut, wir kommen später dort vorbei.“ „Später? Wann ist später?“ Diese Antwort bleibt sie mir schuldig.

Am Boot finde ich einen schnarchenden Serge vor, offenbar war der Wein doch zu viel für ihn. Meiner vorsichtigen Einschätzungen nach dürfte der Tag für ihn gelaufen sein. Ich lehne mich mit dem Rücken an die Kaimauer und warte auf die Damen. Meine Befürchtung es könne eine lange Zeit vergehen, zeigt sich schon bald als unberechtigt. In voller Eintracht kommen die zwei Frauen die Straße entlang. Elaine hakt sich bei mir unter und meint bezüglich Serge.

„Der ist wie immer voll! Lassen wir ihn seinen Rausch ausschlafen. Wir werden jetzt unsere neuen Familienbande festigen. Ich hoffe, Jean, du hast dich endlich mit deinem Schicksal abgefunden.“

„Weißt du, hätte mir je etwas Besseres in meinem Leben passieren können als Madame Elaine Perrault?“

Elaine lacht. „Nein! Nicht wirklich und deshalb werden wir auch schon bald heiraten.“ Nadine fragt. „Ihr wollt wirklich heiraten?“ Elaine meint verschmitzt. „Wenn es gilt, dann gilt es, bevor mein Held wieder kalte Füße bekommt, mache ich dieses Mal den Sack zu.“
Nadine pflichtet dieser Entscheidung bei. „Ja, das stimmt, der Mann muss wissen, wer der Herr im Haus ist.“

Meine Antwort auf dieses Thema ist einfach. „Das schockt mich jetzt überhaupt nicht mehr, Mesdames. Ich erlaube mir zu bemerken, mein Entschluss steht fest mit Elaine zusammenzubleiben. Die Machosprüche werden übrigens gerne an der Garderobe entgegengenommen.“

Elaine küsst mich auf die Wange. „Monsieur haben vollkommen recht, wir wollen in unserer Hütte Frieden.“ Am Haus angekommen staunt Nadine nicht schlecht. „Diese Hütte ist ja ein Schloss!“ Elaine meint vergnügt. „Meine liebe Nadine, Madame Elaine Perrault liebt und wohnt standesgemäß.“


© Bernard Bonvivant