Sonntag, 26. September 2010

Die Liebesfee

Die Liebesfee

Auf ewig langen Pfaden durch das Leben gezogen, das Glück gesucht und doch nur Katzengold gefunden.

An die Liebe geglaubt und trotzdem seines Glaubens beraubt. Gehofft, gebangt, gekämpft und doch den Gral nicht gewonnen.

In einer stillen Minute ein Zwiegespräch geführt. Das Resultat eindeutig schmerzlich und wahr, das große Glück war diesem Leben nicht beschieden.

Hoffnung sollte im Herzen verbleiben und vielleicht das kleine Glück an einer verschwiegenen Ecke sich zeigen. Manchmal tut es gut, in Bescheidenheit und Demut durch die Welt zu wandeln.

Auf der Suche nach dem kleinen Glück steht plötzlich ein unscheinbares Wesen auf dem Lebensweg. Es schaut in die Augen, blickt tief in die Seele. Plötzlich spürende Wärme, eine fühlbare Nähe. Was will dieses Wesen sagen?

Aus Distanz versucht, die Gefühle zu verbergen, hinabsteigen in die Eiseskälte, gefrostet das Herz, verschlossen den Mund.

Das Wesen aber spricht. „Kennst du mich nicht? Unter diesem Himmelszelt ist ein jedem Menschen ein Seelenpartner beschieden.“

„Das kann nur eine Täuschung sein, viel zu oft im Leben genarrt und verblendet, so will der Verstand nicht mehr finden den Glauben. Damit ist ein für alle Mal Schluss!“

Das unscheinbare Wesen aber spricht. „Erlöst du mich, erlöse ich dich!“

„Solchen Unsinn mag so im Märchen beschrieben sein, doch in Wahrheit sieht es anders aus.“

Aus der Wesensmitte beginnt es sanft zu strahlen, eine warme Energie, erfasst das kalte Herz. Lässt es binnen Sekunden auftauen und die Sinne werden berauscht.

Funken sprühen, die Welt versinkt in einem Abendrot und der Mond scheint in strahlender Helle. Was mag nur hier geschehen?

Leise, zaghaft öffnet sich der Mund, haucht zärtlich leise Worte. Welche Kühnheit kommt so plötzlich ungeniert zu Tage.

Lippenpaare sich treffen, Donnern und Rauschen, Ouvertüre und Sinnlichkeit. Die Augenpaare strahlen sich an, das Lächeln sagt mehr als tausend Worte. Auf einmal scheint alles wunderbar und klar.

Das unscheinbare Wesen ist längst bezaubernd, betörend geworden zur schönen Frau. Was braucht es Verstand, wenn längstens die Herzen regieren.

Zwei Herzen tanzen im Reigen, ein Meer aus Blumen wiegt sich sanft in dieser zarten Brise und die Vögel stellen sich zum Konzert ein. In der Luft schweben leichte sommerliche Düfte.

Die Sterne funkeln wie ein Meer aus Juwelen und ein Feuerwerk der Sternschnuppen prasselt auf die Erde hernieder. Ihre zarte Haut verströmt das Liebesaroma, ihre Lippen schmecken voller sinnlicher Süße.

Zarte Knospen beginnen zu sprießen, streichelnd und liebkosend die Haut. Gefühle lösen alle Bedenken auf, zwei Körper verschmelzen zu einer gemeinsamen kleinen Welt. Der Geliebten die Hände verwöhnt anschließend im Überschwang die Füße liebkost.

Die Liebesfee engumschlungen, nicht endend wollende Zärtlichkeit. Amor sendet seine Pfeile aus und Aphrodite applaudiert von ihrem Throne, dass zwei Menschen endlich sich gefunden.

Die liebenden Herzen in Glückseligkeit verbunden, wandeln nun auf gemeinsamen Pfaden. Endlich ist das Zeitalter des großen Glückes angebrochen.

Der neue Morgen dieser Liebe möge ewiglich im goldenen Schein erstrahlen.


© Bernard Bonvivant, Schriftsteller, Germany

Samstag, 25. September 2010

Rudi und die Frau für ein Leben

Rudi und die Frau für ein Leben


Rudi war ein gutaussehender Mann, nur leider fand sich
nicht die richtige Frau für ein gemeinsames Leben.

Woran mochte solches liegen? Hatte er zu hohe Ansprüche?
War er gar ein Hallodri?

Er stand mit beiden Füssen auf dem Boden, nur bei den Beziehungen zu Frauen griff er immer daneben.

Vor ein paar Wochen traf er in einem Supermarkt die Frau für ein Leben. Die Dame war Mitte dreißig, blond, gertenschlank und hatte einen nicht zu übersehenden Busen.
Ihre blonden langen Haare umhüllten das Gesicht eines Engels und mittendrin leuchteten ein paar warme, braune Augen. Ihrer Kleidung nach musste diese Frau der gehobenen Gesellschaft angehören.

Es passierte zweierlei, ihre Augen trafen sich, um Rudi war es geschehen. Das Glas Gurken in seiner Hand glitt zu Boden. Der Aufschlag des Glases, das zerplatzende Glas, die sich auf den Boden ergießenden Gurken, in aromatischer Würze eingelegt; alle diese Sekunden hatte er nicht einmal mitbekommen.

Die Augenpaare verschmolzen ineinander, die Welt um sie herum verschwamm in einem grauen Schleier.

Eine Verkäuferin schüttelte nur den Kopf und bekümmerte sich um die Sauerei am Boden. Diese Arbeit wurde ihr zudem erschwert, der Mann stand wie eine Wachsfigur zwischen den Regalen, auch die Dame seines Herzens schien am Boden festgeklebt zu sein. Ihre Herzen tanzten dagegen Walzer im Dreivierteltakt.

Die Verkäuferin maulte. „Gehen sie endlich zur Seite!“ Keine Reaktion, Rudi schien seine Außenwelt nicht mehr wahrzunehmen. Die Verkäuferin stellte sich demonstrativ vor den Mann und schrie.

Zwei Regalreihen weiter hielt sich der Marktleiter die Ohren zu. Er kam natürlich sofort angelaufen, um seine Mitarbeiterin zur Rede zu stellen. Angesichts dieser Situation war er aber auch nur sprachlos, so etwas hatte er noch nie in seinen dreißig Jahren als Marktleiter gesehen.

Eine Gruppe von neugierigen Kunden hatte sich bereits um das Geschehen aufgebaut. Ein Mann äußerte sich in mehr als abfälliger Weise. Rudi hingegen schritt endlich auf die Frau zu, diese reichte ihm wie in Trance die Hand. Er ergriff ihre Hand, hielt sie behutsam, fast zart in seiner Hand.

Das Paar verließ den Supermarkt.

Die Verkäuferin zeigte auf die beiden Einkaufswagen. „Was passiert damit?“ Der Markleiter stöhnte. „Das weiß ich jetzt auch nicht! Ich denke die werden im Moment an so etwas nicht denken.“ Die Verkäuferin meinte. „Schöne Bescherung und ich darf die Ware wieder in das Regal zurückbringen. Eigentlich gehören solche Menschen nicht auf die Strasse.“

Eine ältere Frau kicherte verlegen. „Das müsste mir Mal passieren.“
Der Markleiter grinste. „Ich denke der Ehemann wird den Typen durch die Strassen dieser Stadt jagen.“

Das interessierte Rudi an der Stelle wenig, er genoss die Zeit mit Krystyna Dzierwa. In beiden Menschen war eine Liebe entflammt und sie vergaßen ihre Umwelt.
Krystyna war aus Polen nach Deutschland gekommen, sie wollte hier in ihrem Beruf als Verkäuferin arbeiten. Leider hatten ihre Anwerber in Polen, sie für einen anderen Job vorgesehen. Sie sollte in einem Bordell anschaffen. Krystyna war dort nicht einmal einen Tag geblieben, sie war bei der ersten Möglichkeit geflohen.

Ihr Weg führte sie direkt in die Arme einer älteren Dame, diese war überaus froh, eine Gesellschafterin gefunden zu haben. Sie kleidete Krystyna ein und hatte ihr ein Dach über dem Kopf gegeben.

Die alte Dame nahm die Beziehung zu Rudi sehr gelassen auf. Ihre einzige Bitte war, Krystyna sollte ihr weiterhin als Gesellschafterin zur Verfügung stehen.
Das Paar schwebte auf Wolken, getragen von einer großen, einzigartigen Liebe.
Krystyna meldete ihre Ausweispapiere als gestohlen. Die polnische Botschaft sicherte ihr zu, so bald als möglich neue Papiere zu übergeben. Natürlich mussten dafür eine Reihe Anfragen in ihrer polnischen Heimat gestellt werden. Irgendwie mussten auch die Vermittler in Kenntnis gesetzt worden sein. Sie standen eines Morgens vor der Haustür und wollten Geld sehen.

Rudi vereinbarte mit ihnen einen Übergabetermin, schließlich brauchte er Zeit um das Geld zu besorgen. Die alte Dame schaltete hingegen einen guten Bekannten, einen ehemaligen Polizeidirektor ein.

Am Abend der Geldübergabe durften die Geldeintreiber leider nicht über Los, sondern mussten direkt in die Gefängniszelle. Krystyna hingegen erhielt ihren Ausweis und ihren Reisepass zurück.

Überglücklich meinte Rudi. „Jetzt können wir doch das Aufgebot bestellen?“ Die alte Dame meinte lächelnd. „Ich denke Rudi, du hast etwas vergessen. Ich weiß auch schon wie ihr das gelöst bekommt.“ Sie verschwand für einige Minuten, um anschließend Rudi einen Ring mit Rubinen zu überreichen. Der stammelte verlegen. „Diesen Ring kann ich nicht annehmen, der ist viel zu wertvoll.“

Die alte Dame meinte. „Der ist doch nicht für dich, der ist für Krystyna.“ Rudi nahm die Hand seiner Geliebten, streifte ihr über den Ringfinger der linken Hand den Ring. Anschließend ging er vor ihr auf die Knie. „Du bist die Frau für ein Leben. Krystyna, willst du meine Ehefrau werden?“

Krystyna strahlte, ein leichtes zartes Rosa legte sich auf ihre Wangen. Ihre warmen Augen sagten bereits ja, ehe die Lippen noch die Worte formten. „Ja, ich will deine Ehefrau werden. Du bist der Mann für ein Leben.“

So hat Rudi am Ende doch noch die Frau für ein Leben gefunden.

© Bernard Bonvivant

Dienstag, 21. September 2010

Madame Elaine Perrault

Madame Elaine Perrault


Am frühen Morgen ist Serge in meiner Begleitung mit dem kleinen Boot hinausgefahren. Unser Ziel war eine Stelle, an der es Langusten gibt. Erfreut stellen wir fest, vier große Langusten sind unser Fangergebnis. Schweigend fahren wir zurück zu unserer Bootsanlegestelle. Ich nehme meine Angelausrüstung und setze mich auf die Kaimauer.

Serge zündet sich eine Gitanes an und hüllt sich gleich in weißen Rauch ein. „Willst du auch eine Gitanes, Jean?“ Er hält mir die Packung unter die Nase. „Serge behalte bitte die Sargnägel für dich.“ Serge ereifert sich. „Na höre Mal, ausgesprochen freundlich bist du an diesem Morgen nicht. Ich biete dir eine Zigarette an und du quatschst irgendeinen Blödsinn von Sargnägeln.“ Ich atme tief durch und lache. „Das ist meine Art von Galgenhumor.“

Serge schaut mich besorgt an. „Du fällst mir noch von der Kaimauer ins Wasser. Was glaubst du eigentlich, was du da machst?“ „Ich angele, das sieht man doch!“ Serge grinst. „An dieser Stelle wirst du noch in drei Tagen sitzen und kein Fisch wird anbeißen.“ Ich verteidige mich. „Ich habe einen erstklassigen Köder.“ „Das ist keine Frage des Köders, diese Stelle ist ungeeignet.“ „Lieber Serge, du bist Chefkoch und kein Fischer.“ „Lieber Jean, du bist garantiert kein Fischer.“

In meinem Rücken erklingt eine weibliche Stimme. „Was machst du auf der Kaimauer, Jean? Wo sind meine Langusten?“ Serge zeigt auf das Boot. „Habe ich dich gefragt? Bekomme ich bald eine Antwort, Jean.“ Ich klettere von der Mauer und lege meine Angel auf die Brüstung. „Kein Wunder, hier kann kein Mensch einen Fisch fangen, bei dem Lärm.“

Madame Elaine Perrault klatscht in die Hände. „Auf! Auf! Zeige mir den Fang.“ Ich gehe zum Boot und werfe einen Blick auf die Reuse. „Es sind vier Madame.“ Die Dame betrachtet den Fang genauer und nickt zustimmend. „In Ordnung, bringt die Langusten zum Haus. Die wird es heute anlässlich meines Geburtstages geben. Ich muss noch ein paar Erledigungen machen. Wir sehen uns dann später.“ Sie drückt mir einen zarten Kuss auf meine linke Wange.

Serge schaut mich fragend an. „Was willst du, Serge?“ „Hast du gewusst, dass sie heute Geburtstag hat.“ „Nein, ich habe es vergessen.“ Serge haut sich mit der flachen Hand an die Stirn. „Wie blöde bist du eigentlich? Lass mich raten, du hast natürlich auch kein Geschenk für Madame!“ Ich zucke mit den Achseln. „Vergessen.“ Serge brüllt. „Du hast was? Vergessen! Bist du eigentlich noch ganz normal. Eine Frau wie diese bekommst du so schnell nicht mehr.“

Wir tragen die Langusten zum Haus. „Wer sagt überhaupt, dass ich Madame will?“ Serge wütend. „Ich! Du Schwachkopf! Manchmal frage ich mich, ob du überhaupt in deinem Kopf so etwas wie Intelligenz hast? Du bist ein typischer Mann! Vergisst den Geburtstag seiner Angebeteten.“

Wir stellen das Behältnis mit dem Fisch auf dem Küchentisch ab. Die Köchin schaut mürrisch zu uns herüber. „Wie ich sehe, darf ich wieder die Arbeit machen. Wieso kocht heute eigentlich nicht der 5 Sternekoch, Monsieur Serge?“ Serge zieht tief Luft ein. „Eine noch dümmere Frage kann diese Köchin nicht stellen! Monsieur Serge hat zurzeit Urlaub. Das steht groß an der Tür meines Restaurants verkündet.“ Die Köchin mault. „Wenn ich die Herren so betrachte, dann habe ich das Gefühl, sie haben das ganze Jahr Urlaub.“

Das reicht, zu mindestens uns. Wir kehren ihr den Rücken zu und verlassen verärgert ihr Küchenreich. Serge zeigt zur Kellertür. „Sollten wir nicht ein wenig Wegzehrung mitnehmen? Ich denke der Keller wird uns mindestens zwei Flaschen Chablis hergeben.“ Ich flüstere leise. „Die Köchin zählt die Flaschen.“ Serge grinst. „Und hat die hier etwas zu melden?“ „Nein! Natürlich nur Madame Eliane Perrault.“

Wir steigen die Stufen hinab in den Weinkeller und Serge meint beiläufig. „Mache mir einen Gefallen und lasse den ganzen Unsinn weg. Sie heißt Elaine, wann begreifst du das?“ Ich suche derweil den Wein aus. „Wenn dir so viel an ihr liegt, Serge, dann heirate doch deine Elaine.“ Mein Freund schüttelt den Kopf. „Ich würde sie sofort heiraten, Elaine will aber dich. Eine bessere Partie findest du in der ganzen Bretagne nicht. Die Frau hat Geld, sieht gut aus und akzeptiert einen Lebenskünstler wie dich. Was willst du eigentlich noch mehr?“

Ich habe endlich den Wein gefunden und lege die Flaschen in einen Weidenkorb. Serge hat einen Flaschenöffner und zwei saubere Gläser entdeckt. „Junge, Junge, ich werde Elaine sagen, dass du sie liebst und jetzt hauen wir endlich ab, bevor die alte Köchin uns noch verdrischt.“ Serge nimmt mir den Korb ab. „Nur damit du Bescheid weißt, wir gehen jetzt erst einmal für Elaine ein Geschenk besorgen.“ Ich muss anlässlich dieser Hartnäckigkeit grinsen.

„Heute mein Freund ist Sonntag, da werden wir wohl allenfalls ein paar Feldblumen auftreiben.“ Serge tippt mir auf die Brust. „Du wirst ihr ein anständiges Geschenk überreichen und wenn ich die Ladenbesitzer einzeln in ihre Geschäfte schleppen muss.“ Das beeindruckt mich nun überhaupt nicht, große Sprüche waren ein Bestandteil seines ganzen Lebens.

Ich will nicht verhehlen peinlich ist mir die Angelegenheit schon. Während wir das Haus verlassen, kommt mir ein Gedanke. Wie kann Madame Elaine Perrault an einem Sonntag noch Erledigungen machen? Vielleicht hat sie gar einen Freund, den Apotheker, Arzt oder den Bäcker, wer weiß schon was in einer Kleinstadt so alles hinter dem Rücken der Öffentlichkeit passiert?

Der alte Fuchs, Serge, stellt den Weidenkorb auf dem Boot ab. Anschließend gehen wir durch die Innenstadt. Wie ich vermutet habe, sind an diesem Sonntag die Geschäfte zu. Lediglich eine Art Trödlerladen hat geöffnet. Eine junge Dame schleppt gerade Kisten in das Geschäft. Wir folgen ihr und schauen uns die Auslagen an.

Irgendwann bemerkt die junge Frau ihre Besucher. „Hallo! Meine Herren heute ist Sonntag, da habe ich geschlossen.“ Ich lächele sie freundlich und ergeben an. „Entschuldigung, Madame, meine Freundin hat heute Geburtstag und ich möchte ihr noch ein Geschenk besorgen.“

Die junge Dame schüttelt missbilligend den Kopf. „ Ich frage mich immer wieder, was wir Frauen an euch Männern finden? Ihr vergesst ohne Not unsere Geburtstage, Verlobungstage, Heiratstage und was weiß ich alles. Na gut, eine Ausnahme, aber nur eine und nur an diesem Sonntag. Verstanden!“

Serge nickt zustimmend. „Mir passiert so etwas nicht, dem Typ hier laufend.“ Die junge Dame schaut sich in ihrer Auslage um. „Was soll es sein? Wie alt ist die Dame? Wie heißt Madame?“ Wahrheitsgemäß antworte ich. „Madame Elaine Perrault und es ist nicht anständig, über das Alter einer Dame zu reden.“

Die junge Frau wird bleich im Gesicht. „Sie meinen doch nicht etwa die Perrault mit dem großen Anwesen?“ Ich frage etwas amüsiert. „Gibt es noch mehr von der Sorte?“ Die junge Dame verneint. „Ich glaube kaum. Das Geschenk für die Dame hätte ich.“
Sie geht zu ihrem großen Ladentisch und öffnet eine Schublade. Zum Vorschein kommt eine Schmuckschatulle. Die Frau stellt die Schatulle auf dem Ladentisch ab und öffnet das Kästchen. Was ich nun sehe, verschlägt mir den Atem. Vor meinen Augen kommen eine Kette, ein Armband und ein Ring zum Vorschein, die mir mehr als bekannt vorkommen. Ich frage leise. „Woher stammt dieser Schmuck?“

Die junge Frau zuckt nicht wissend mit den Schultern. „Ich habe den Laden vor ein paar Monaten übernommen, nach dem ich mein Studium in Paris beendet habe. Merkwürdig ist, der Schmuck war bereits hier in diesem Tisch. Fragen Sie mich bitte also nicht nach seiner Herkunft. Es erscheint mir allerdings, als sei er ist ihnen wohlbekannt?“ Serge stupst mich an. „Die Dame hat dir eine Frage gestellt.“

Ich nicke. „Ich kenne diesen Schmuck, dieses Kunstwerk ist in der Zeit Napoleons Bonaparte angefertigt worden von einem Juwelier in Paris. Dieser Schmuck gehörte einer bedeutenden Frau.“ Die junge Frau schaut mich überrascht an. „Dann ist der Schmuck sehr viel Geld wert?“

„Das kann ich nicht beurteilen aber ich würde schon behaupten wollen, dass er auf einer Auktion sehr viel einbringen könnte. Der Schmuck selbst dürfte aber bestimmt immer noch als gestohlen gelten.“ Serge schüttelt den Kopf. „Du willst doch nicht behaupten, die junge Dame habe den Schmuck gestohlen?“

„Nein! Das ist doch viel früher passiert. Die Frage ist doch nur, wie viel soll der Schmuck kosten? Ich möchte die Dame nicht über das Ohr hauen.“ Die junge Frau lächelt mich freundlich an. „Sie hätten mir nichts erzählen müssen, Monsieur. Meine Preisvorstellung wäre erst einmal zweihundert Euro gewesen. Was halten Sie von dem Preis?“

Ich besitze tatsächlich noch dreihundertfünfzig Euro vor der Pleite. Im Grunde verdanke ich Madame Elaine Perrault eine ganze Menge. Irgendwie werde ich auch das Gefühl nicht los, diesen einzigartigen Menschen schon seit sehr langer Zeit zu kennen. Mein Entschluss steht fest.

„Jawohl, Madame, ich werde ihnen den Schmuck für diesen Preis abkaufen. Gerne würde ich ihnen mehr geben, nur meine Vermögensverhältnisse lassen dies augenblicklich nicht zu.“ Die junge Dame grinst. „Es würde mir schon zur Ehre gereichen, wenn sie mich bei Madame positiv erwähnen.“

Ich verneige mich vor ihr. „Das werde ich selbstverständlich tun. Ich habe übrigens gelesen, sie restaurieren auch Bilder, Madame hat eine große Gemäldesammlung zeitgenössischer alter Meister. In dem Bereich gibt es eine Menge Arbeit.“

Die junge Dame hält mir das verpackte Geschenk vor die Nase. „Sehen Sie, Monsieur, so können wir uns doch gegenseitig helfen.“ Ich reiche ihr das Geld und sie bedankt sich. „Es hat mich gefreut mit Ihnen Geschäfte machen zu dürfen, Monsieur.“ Ich reiche ihr die Hand. „Die Ehre ist ganz auf meiner Seite, Madame.“

Auf der Straße meint Serge. „Damit du es weißt, du hast die Kleine ganz schön angebaggert. Das ist nicht fair gegenüber, Elaine.“ Ich bleibe stehen und mustere ihn aus meinen dunklen Brillengläsern. „Ich habe mit der jungen Dame lediglich Konversation betrieben.“ Serge faucht wie ein Walross. „Du bist und bleibst ein alter Frauenbetörer!“

Ich lache laut auf. „Ich habe noch ganze hundertfünfzig Euro vor meiner endgültigen Pleite. Willst du mir meinen letzten Stolz auch noch nehmen?“ Serge schaut mich bekümmert an. „So schlimm steht es um dich?“

„Ja! Ich habe sogar die Auftragsarbeit angenommen, die Memoiren eines adligen Spaniers zu schreiben.“ Serge klopft mir mitleidig auf die Schultern. „Weißt du was, darauf nehmen wir einen Chablis. Die Welt sieht gleich besser aus. Dir scheint es ja mächtig dreckig zu gehen. Was ich nicht verstehe, warum nimmst du nicht Elaine zur Frau?“

Ich winke ab. „Wie soll ich um ihre Hand anhalten. Vielleicht mit dem Spruch, ich bin chronisch pleite und auch ansonsten ist nicht mehr viel mit mir los. Was hätte ich zu bieten, was eine Frau interessieren könnte?“

Serge sieht diese Sache vollkommen anders. „Im Leben geht es nicht immer nur ums Geld. Du bist liebenswürdig, zuverlässig und anständig. Du kannst sehr charmant sein und eine Frau fühlt sich durchaus in deiner Gegenwart wohl. Glaubst du etwa solche Werte, zählen nicht?“

„Um ehrlich zu sein, Serge, in dieser Welt zählen solche Werte rein gar nichts, da zählt nur die Kohle.“

Serge betritt vor mir das Boot. „Ich weiß nicht, wenn die Welt tatsächlich nur noch so wäre, dann wäre es eine schlechte Welt.“

„Das mein Freund, kommt auf die Seite des Betrachters an. Die Menschen haben ein gutes Recht auf ihr eigenes Leben und Gedankengut. Die Masse der Menschen hat sowieso keine Zeit mehr, die hetzen nur noch hinter ihren vermeintlichen Erfolgen und Gelderträgen her.“

Serge grinst. „Na, wenn das so ist, dann wollen wir jetzt ganz gemütlich unseren Chablis genießen. Übrigens was würdest du zu einem Stück Käse sagen?“ Ich nicke zustimmend. „Käse esse ich immer gerne.“

Während wir gemütlich über Gott und die Welt plaudern, nähert sich uns bereits Madame. Sie taucht plötzlich und vor allem von uns unerwartet auf.

Natürlich bin ich überrascht, ihr Aussehen lässt keine Zweifel mehr offen, sie muss einen Liebhaber haben. Ob es der Friseur ist? Nein! Der Bock ist schließlich zu alt. Sie fragt ganz ungeniert. „Was bewunderst du mich so, Jean?“

Bewundern? Ich doch nicht! Ich frage mich eher, welcher Kerl dahinter steckt, obschon es mich doch überhaupt nichts angeht. Stattdessen versuche ich mich in Schadensbegrenzung.

„Madame haben ihre Haare verändert.“ Sie setzt sich neben mich und das Unheil nimmt seinen Lauf. Es knackt leicht unter ihrem Gesäß, beim Versuch sich zu setzen. Madame schaut nun genauer nach. Es gibt keine Chance mehr das Missgeschick zu verhindern.

Unter meiner Nase winkt nun ein Geschenk. „Was bitte ist das für ein Geschenk, lieber Jean?“ „Das Madame Perrault ist ein Geschenk für das Geburtstagskind.“ Elaine kichert. „Serge, was hat der schon getrunken?“ Der bekreuzigt sich. „Madame Perrault, garantiert nur ein Glas Wein, ich schwöre es bei allem, was mir heilig ist.“ Nun lacht Madame laut schallend. „Das kann nicht besonders viel sein, Serge. Jetzt zu dir mein Liebster, wann gewöhnst du dir endlich dieses Madame vorne und hinten ab. Ich heiße Elaine, ist der Name so schwer auszusprechen?“

„Nein, ich meine, ich will sagen.“ Elaine fährt mir über den Mund. „Es wäre gescheiter du machtest einfach für die nächste Zeit deinen Mund zu, sonst verdirbst du mir noch die Freude. Darf ich mein Geschenk auspacken?“

Ich nicke zustimmend und bleibe artig ruhig. Serge hingegen grinst sich voll eins weg. Tolle Leistung auf Kosten anderer! Elaine hat die Schmuckschatulle bereits auf ihren Beinen liegen. Ungefragt nimmt sie mein Weinglas aus der Hand und trinkt einen Schluck von meinem Wein. Serge grinst mich jetzt noch breiter an. Ich hingegen habe ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend und eine Art von Ahnung beschleicht mich, gleich wird es noch heftiger zu gehen. Madame öffnet den Deckel und ein merkwürdiges Strahlen liegt plötzlich auf ihrem Gesicht. Sie streichelt zart den Schmuck.

Serge meint ruhig und gelassen. „Ein schöner Modeschmuck, wenn auch nicht ganz alltäglich.“ Madame Perrault hebt den Kopf, schaut verständnislos Serge an. „Du alter Schwachkopf! Du hast doch wirklich keine Ahnung, allenfalls von deinen Kochtöpfen.“

Serge nimmt es ihr keineswegs Übel, er gießt sich ein Glas Chablis ein und prostet ihr zu. „Auf ihr Wohl, Madame.“ Elaine drückt mich an sich und gibt mir einen Kuss. Serge witzelt. „Muss Liebe schön sein, wenn ich groß bin, will ich auch einmal.“ Elaine lächelt mich an.

„Woher wusstest du?“ „Ich habe es gefühlt, dieser Schmuck ist von großer Bedeutung.“ Elaine nickt bedeutungsvoll. „Ja, dieser Schmuck ist von sehr großer Bedeutung für die Frauen des Hauses Perrault. Leider wurde er uns gestohlen. Jetzt kehrt er endlich in unseren Besitz zurück.“ Elaine streift sich das Armband an, legt sich die Kette um und reicht mir den Ring. „Kannst du mir bitte den Ring überstreifen?“

Ich ahnungsloser Mensch tue es natürlich, aus reiner Höflichkeit versteht sich. Ob dieses für mich Folgen haben wird?

Elaine streckt die Hand aus in Richtung Serge. „Siehst du Serge, jetzt habe ich doch noch meine Geburtstagsüberraschung bekommen, das ist mein Verlobungsring.“

Ich bin wohl überrumpelt worden oder sehe ich die Angelegenheit im falschen Licht? Ich bekomme ganz schnell Klarheit. Elaine gibt mir einen Kuss auf den Mund. „Jetzt sind wir Verlobte, Jean. Du willst mich doch?“

Mache jetzt bloß keinen Fehler Jean, dazu, habe ich keine Zeit, zu sehr bin ich sprachlos. Mein Gefühl in der Magengegend und diese komischen Schmetterlinge haben mich also nicht betrogen. Allerdings es ist noch nicht vorbei, im Gegenteil es ist noch schlimmer geworden, ich brenne voller Leidenschaft und Liebe.

Die Ernüchterung bringt Serge. „Was ist also an dem Schmuck echt? Der liegt so einfach in einer Ladentheke rum, das ist doch merkwürdig.“ Elaine grinst. „Dieser Schmuck, mein Bester, wurde in Paris hergestellt mitten in den Wirren der Französischen Revolution. Diese grünen Steine sind Smaragde, eingefasst mit weißen Perlen und das, was hier so funkelt, sind Diamanten. Hast du noch eine Frage?“ Serge, der gerade genüsslich an seinem Rotwein kostet, verschluckt sich.

Elaine nimmt das Geschenkpapier und stutzt. „Jean, wer ist diese Nadine Perrault?“ Ich antworte nach besten Wissen und Gewissen. „Ich kenne keine Nadine Perrault.“ Madame nimmt ihren Zeigefinger, um mir deutlich zu machen, was sie von Falschaussagen hält. „Schwindele mich nicht an, du kennst die Dame.“ Ich grinse sie an. „Also wirklich Elaine, kaum bist du verlobt, da machst du schon Eifersuchtsszenen.“ Ihre Antwort hält sie mir vor meine Augen. Ich lese deutlich, Nadine Perrault, Rue de l´odéon 14, 6 arrandissement Paris.

„Das muss wohl die junge Dame in dem Laden erklären können. Ich muss zugeben ich habe nicht nach ihrem Namen gefragt. Eigenartig ist nur, sie bat mich um eine Empfehlung. Immerhin versteht die Frau sich auf die Restaurierung von Gemälden.“ Elaine klatscht in die Hände. „Gut mein Lieber, dann lass uns die junge Dame aufsuchen. Ich möchte das Mädchen sehen und mit ihr reden.“ Ich erhebe mich.

Serge hingegen meint trocken. „Ihr zwei Turteltäubchen habt sicher nichts dagegen, wenn ich euren Chablis mittrinke.“ Eine Antwort bekommt er nicht, wir sind auf dem Weg zu diesem kleinen Trödlerladen.

Ehrlich gesagt, ich habe wenig Hoffnung dort noch eine offene Tür vorzufinden. In dem Punkt irre ich gewaltig. Die Tür zu dem Laden steht wie am Morgen offen. Ich lasse Elaine den Vortritt. Nun gibt es Erscheinungen im Leben, die sind nicht nur merkwürdig, sondern haben den Beigeschmack der Mystik.

Während Elaine sich in dem Geschäft umsieht, mache ich im Nebenraum eine für mich ungeheuerliche Entdeckung. Vor meinen Augen steht die Glasvitrine von Napoleon Bonaparte. Das kann nun wirklich jeder Mensch behaupten. Das Einzigartige sind die Bewohner dieser Vitrine. Es sind alle Soldaten des napoleonischen Heeres vertreten, vom Trommler bis zum General. Die Figuren sind aus Zinn gegossen und ihre Kleidung und jeweilige Bewaffnung ist bis ins kleinste Detail vorhanden. Dieser Anblick versetzt mich in meine Jugend. Oft habe ich vor dieser Vitrine gestanden und die Figuren bewundert, da war Ehrfurcht in mir. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, diese Figuren zum Spiel zu nutzen. Kein Mensch musste mir erklären, welchen ungeheuerlichen Wert diese Sammlung hatte. Meine Großmutter war gezwungen gewesen aus Geldnot diese Vitrine zu verkaufen. Das habe ich nie verstanden, geschweige denn wirklich begreifen wollen. Bittere Tränen waren geflossen und tiefe Trauer hatte mein so junges Herz erfasst. Ich hätte nie in meinem Leben geglaubt, dieser Vitrine jemals wieder zu begegnen. Jetzt stehe ich unmittelbar davor und fasse mein Glück kaum.

Elaine steht still hinter mir, lehnt sich an den Türrahmen. Sie hat sofort erkannt, um welche Sache es geht. „Das ist die Vitrine aus eurem Salon. Ich kann mich gut daran erinnern, davor stand der Flügel und an der Wand das Klavier. Ihr hattet damals noch Geld.“ Ich sage ein wenig ernüchtert. „Wir haben alles verloren.“ Elaine sagt zärtlich. „Das stimmt so nicht. Betrachte es genau, du hast das Vermögen und die Macht verloren; aber nur um daraus zu lernen. Außerdem hat die Familie Perrault in dieser Zeit im Gegenzug ein Vermögen aufgebaut. Du hattest hingegen die Zeit zur Reife und jetzt bekommst du die Frau und die Macht. Was gilt es, nun noch der Vergangenheit nach zu trauern. Die Vitrine werden wir kaufen und damit wäre dann wohl die Angelegenheit geklärt.“

Ich nicke zustimmend. „Dein Einwand stimmt, es ist nicht gut der Vergangenheit nachzutrauern, darüber wird oft die Zukunft verschlafen.“

Elaine scheint zufrieden. „Gut, wenn du diese Fakten erkannt hast. Jetzt bleibt nur noch die Frage. Wo steckt diese junge Dame?“

Diese Frage ist gut, immerhin sind wir schon eine geraume Zeit in diesem Laden. Wenn es in unserer Absicht liegen würde, so hätten wir genügend Zeit gehabt, um das Geschäft auszuräumen. Ich finde diese Situation merkwürdig und verlasse das Geschäft. Elaine folgt mir instinktiv. „Spürst du auch, hier stimmt etwas nicht, Jean. Das Mädchen ist sicher in Gefahr.“

Genau, ich habe so ein merkwürdiges Gespür. „Du bleibst vor dem Laden, Elaine. Ich werde mir das Haus genauer ansehen.“ Ich betrete erneut das Geschäft und suche nun alle Räume systematisch ab. Aus einem der Zimmer höre ich ein Stöhnen. Langsam öffne ich die Tür und werfe einen Blick in den Raum. Am Boden liegt eine Frau und auf der Frau liegt ein Schrank. Ihre Augen schauen mich hilfesuchend an.

Während ich die Tür weiter öffne. stürmt Elaine bereits an mir vorbei. „Madame Perrault, sie schickt der Himmel.“ Elaine schaut mich fragend an, doch ich weiß hier im Moment auch keine Antwort. Vielleicht ist man sich irgendwann in Paris über den Weg gelaufen.

Elaine beugt sich besorgt über die junge Frau. „Was haben Sie angestellt?“ Die junge Frau seufzt. „Ich wollte den Schrank aufbauen und dann ist plötzlich alles zusammengebrochen und ich mittendrin. Ich bin so unglücklich gefallen, ich kann mich nicht selbst befreien.“ Ich nicke. „Das sehe ich. Haben Sie vielleicht Schmerzen?“

„Nein! Ich habe Angst.“ „Das finde ich gut, sie sind wenigstens ehrlich. Ich werde jetzt langsam das Holz über ihnen beiseiteschaffen.“ Gemeinsam mit der Hilfe von Elaine schleppen wir die Einzelteile zur freien Wand und lehnen sie dort an. „Jetzt weiß ich auch, warum sie sich nicht befreien konnten. Dieser Schrank ist aus Massivholz.“

Irgendwann ist die junge Frau endlich von allem Mobiliar befreit. Steht sie nun auf? Nein! Sie bleibt einfach am Boden liegen. Elaine macht es schon, sie reicht ihr die Hand. „Aufstehen, junge Dame.“

Die Hand wird ergriffen und Augenblicke später steht unsere verhinderte Möbelbauerin auf zwei Füssen vor uns. Sie streckt und bewegt sich, augenscheinlich ist der Körper heil geblieben. Elaine löst die Anspannung im Raum auf. „Woher kennen Sie mich eigentlich?“

Die junge Frau, ein wenig verlegen. „Ich glaube wir sind verwandt.“ Elaine schaut ihr tief in die Augen. „So, so, die junge Dame glaubt. Was so viel heißt wie, ich weiß es nicht mit Sicherheit. Dann ist es wohl eher Unsicherheit.“ Die junge Dame schaut unter sich. „Entschuldigung, Madame.“

Elaine nimmt ihr Gegenüber in den Arm. „Es gibt doch keinen Grund sich zu entschuldigen auf der Suche nach der Wahrheit. Erzähle mir deine Geschichte.“

Die junge Frau erzählt, von der Mutter, welche bei ihrer Geburt stirbt. Der Vater Maler, Künstler, Alkoholiker und Spieler. Er hat das ganze Vermögen durchgebracht und sich dann einfach drei Meter tiefer gelegt. Sie, ihr Name ist Nadine, war damals gerade 18 Jahre alt. Sie hat sich auf die Suche nach Verwandten gemacht, doch keiner wollte ein Habenichts im Haus. Der Vermieter hatte als einzige Person Mitleid mit ihr und stundete ihr die Miete. Sie hat gemodelt, gekellnert und wenn gar nichts mehr ging geputzt. Ihr Studium hat sie sich so finanziert. Ihre Studienkollegen hatten wenig Verständnis, wie auch, sie hatte nie Zeit, um an Feten oder Veranstaltungen teilzunehmen. Im letzten Monat schrieb ein Notar, sie habe ein Haus geerbt in der Bretagne. Es war die Schwester der Mutter, sie hat nicht einmal gewusst, dass ihre Mutter eine Schwester hatte. Tränen stehen in ihren Augen.

Ich spüre Elaine lässt dieses Schicksal nicht kalt. „Jetzt hast du mir so viel erzählt aus deinem Leben mein Kind, aber wer dein Vater war, das weiß ich immer noch nicht.“ Nadine nickt tapfer. „Ich weiß, Madame, sie werden ihn sicher nicht kennen. Er hieß Gilbert Perrault.“

Elaine fasst sich mit beiden Händen an den Kopf. „Mein Gott, das ich da nicht von alleine drauf gekommen bin. Wer sonst als dieser total verrückte und bescheuerte Gilbert kann so etwas seinem Kind antun. Du musst wissen, dein Vater war das schwarze Schaf in der Familie. Wenn einer Mist gebaut hat, dann war es garantiert Gilbert. Weißt du was, wir bringen dein Leben jetzt auf Vordermann. Nicht wahr Jean? Wir haben selbst keine Kinder also kümmern wir uns um dich. Ich habe heute Geburtstag und damit fangen wir an.“

Nadine schaut etwas irritiert in die Runde. „Ich habe leider nichts anzuziehen. Was sollen die Leute denken?“ Elaine fragt neugierig. „Welche Leute? Zu meinem Geburtstag kommen nur Serge und du. Ich frage schon lange nicht mehr danach, was die Leute über mich denken oder schreiben. Für diese Lebenseinstellung habe ich allerdings auch ein paar Jährchen gebraucht. Jetzt habe ich nur noch ein Anliegen, die napoleonische Glasvitrine, dafür werde ich dir einen ordentlichen Preis bezahlen. Schließlich brauchst du für deine Zukunft eine gute finanzielle Basis.“

Nadine fragt. „Von welcher Glasvitrine reden wir hier eigentlich?“ Elaine nimmt Nadine an der Hand und flüstert zu mir. „Bleibe du hier, ich möchte mit ihr alleine reden.“

„Nein, ich gehe lieber zu Serge auf das Boot.“ „Ist gut, wir kommen später dort vorbei.“ „Später? Wann ist später?“ Diese Antwort bleibt sie mir schuldig.

Am Boot finde ich einen schnarchenden Serge vor, offenbar war der Wein doch zu viel für ihn. Meiner vorsichtigen Einschätzungen nach dürfte der Tag für ihn gelaufen sein. Ich lehne mich mit dem Rücken an die Kaimauer und warte auf die Damen. Meine Befürchtung es könne eine lange Zeit vergehen, zeigt sich schon bald als unberechtigt. In voller Eintracht kommen die zwei Frauen die Straße entlang. Elaine hakt sich bei mir unter und meint bezüglich Serge.

„Der ist wie immer voll! Lassen wir ihn seinen Rausch ausschlafen. Wir werden jetzt unsere neuen Familienbande festigen. Ich hoffe, Jean, du hast dich endlich mit deinem Schicksal abgefunden.“

„Weißt du, hätte mir je etwas Besseres in meinem Leben passieren können als Madame Elaine Perrault?“

Elaine lacht. „Nein! Nicht wirklich und deshalb werden wir auch schon bald heiraten.“ Nadine fragt. „Ihr wollt wirklich heiraten?“ Elaine meint verschmitzt. „Wenn es gilt, dann gilt es, bevor mein Held wieder kalte Füße bekommt, mache ich dieses Mal den Sack zu.“
Nadine pflichtet dieser Entscheidung bei. „Ja, das stimmt, der Mann muss wissen, wer der Herr im Haus ist.“

Meine Antwort auf dieses Thema ist einfach. „Das schockt mich jetzt überhaupt nicht mehr, Mesdames. Ich erlaube mir zu bemerken, mein Entschluss steht fest mit Elaine zusammenzubleiben. Die Machosprüche werden übrigens gerne an der Garderobe entgegengenommen.“

Elaine küsst mich auf die Wange. „Monsieur haben vollkommen recht, wir wollen in unserer Hütte Frieden.“ Am Haus angekommen staunt Nadine nicht schlecht. „Diese Hütte ist ja ein Schloss!“ Elaine meint vergnügt. „Meine liebe Nadine, Madame Elaine Perrault liebt und wohnt standesgemäß.“


© Bernard Bonvivant

Freitag, 17. September 2010

Flaschenpost an eine tote Geliebte

Flaschenpost an eine tote Geliebte


Du meine Liebe,

schönste aller Blüten. Du einzigartige Rose ganz ohne Dornen. Deine zarte Unschuld hat mir den Verstand geraubt, der Geruch Deiner Haut trieb mich von Sinnen.
Wie sehr verzehre ich mich nach Deinen Liebkosungen, Deinen liebevollen Küssen.
In meinem Innern toben die Schmetterlinge, mein Herz bebt vor Liebe nach Dir. Leider sind wir so weit voneinander getrennt.

Jeden Morgen spaziere ich an unserem Meer entlang nur in Gedanken bei Dir.
Ich kann nicht mehr arbeiten vor Liebesqualen, kann nicht mehr schlafen ohne Dich, zwischen uns liegt ein großer Ozean.

Ach könnte ich, wie ich wollte, ich würde noch in dieser Stunde meine Reise antreten zu Dir.
Ich habe noch nie für einen Menschen soviel empfunden.

Ich suche Deine Spuren im Sand, sitze an unseren vertrauten Plätzen, starre in die untergehende Sonne.
Einst haben diese Augenblicke mein Herz erwärmt, ich spürte die große innere Freude.

Jetzt aber sieht es düster um meinen Seelenfrieden aus.
Kein Tag vergeht, an dem ich mich nicht frage:
Hätten wir es verhindern können?
Ich weiß, es ist nicht mehr zu ändern, nur akzeptieren will und kann ich es nicht.
Warum traf das Schicksal unsere Liebe? Warum kann ich nicht von Dir lassen?

Du fehlst mir so sehr, mein Leben ist so sinnlos geworden.
Ewige Treue haben wir uns geschworen und ich werde Dich bis an das Ende meiner Tage lieben.

So bleibe ich zurück in tiefer Erinnerung an unser großes Glück. Du aber meine Geliebte ruhst längst in Deiner Gruft.
Warte auf mich auf der anderen Seite, mein Herz wird bald gebrochen sein vom Liebesschmerz, dann sind wir wieder vereint.

Du einzige große Liebe meines Lebens. Ich schicke Dir diese Flaschenpost, obschon ich weiß, sie wird Dich nicht erreichen. Verliebte tun zuweilen eben merkwürdige Sachen. Kannst Du mir verzeihen?

Ich kann nicht mehr Leben ohne Dich.



© Bernard Bonvivant, Schriftsteller, Germany

Montag, 13. September 2010

Schön, wie eine Rose sollst du sein

Schön, wie eine Rose sollst du sein.
Sollst blühen und nie verwelken.
Sollst ewig die Schönheit sein in meinem Herzen.
Das frische Tau soll dir zur ewiglichen Jugend verhelfen.
Magst auch noch im Alter, meine einzig wahre Rose sein.


© Bernard Bonvivant


Schriftsteller

Sonntag, 12. September 2010

Liebe, Liebesleid geht und kommt zugleich

Liebe, Liebesleid geht und kommt zugleich


In seinem Kämmerlein sitzt ein Mann ganz allein. Verflossene Träume von der Liebe hängen wie dicker Nebel im Raum.

Hat er etwa Liebeskummer? Ist sein Herz endlich gebrochen?

Er sucht die Antwort irgendwo in Raum und Zeit, wandert im Geiste alte Pfade. Fragt sich: Warum passiert solches immer ihm?

Keine Panik, er ist auf dieser Welt mit solcherlei Wehwehchen nicht allein.

Die Liebe kommt und benebelt seine Sinne, wie ein zarter Duft eines wohlriechenden Parfüms. Plötzlich aber geht sie ohne Worte des Abschieds zur Tür hinaus.

Lässt einen Fragenden zurück doch die Antworten, werden ihm nicht gegeben.

Soll er jetzt, streichen den Gott aus seiner Philosophie, wie Sartre es schon tat, um die Liebe ihrer Wertigkeit zu berauben?

Oh nein! Soweit lässt er nicht zu, dass es komme. Er wird nicht springen in die Gruft des Grabes mit gebrochenem Herzen und Leid.

Nein! Er wird sich hüten in Zukunft zarte Bande zu knüpfen oder gar sich in Gedanken einer neuen Liebe hinzugeben.

Zu oft hat er diese Augenblicke in seiner Lebenszeit durchlitten. Soll es etwa eine Lehrzeit sein?

Da fragt er doch ganz ungeniert: Wann bitte soll diese Lehre endlich auch einmal zum Erfolg gereichen?

Wären nicht die Hoffnung und ein klitzekleiner Hauch vom Glück, er würde endlich dieser Gefühle abschwören.

Stattdessen sitzt er in seinem Kämmerlein und denkt bei sich. Jetzt wird er einfach nur noch warten, vielleicht klopft irgendwann die wahre Liebe doch noch an seine Herzenspforte.

Es wäre doch Schade sich dieser Chance Selbst zu berauben. Liebe ist nun einmal kompliziert. Herzen die schon öfters Wunden erlitten sind schwer zu gewinnen. So gilt es eben sich in Geduld zu üben, damit es irgendwann dann doch noch kann gelingen, mit der wahren Liebe, die zu einer neuen Zeit gereicht.


© Bernard Bonvivant

Samstag, 11. September 2010

Fieber der Leidenschaft


Fieber der Leidenschaft



Wir stehen auf dem Friedhof im strömenden Regen und schauen zu, wie der Sarg langsam in die Tiefe hinab gleitet. Ein Regentag in London ist nicht ungewöhnlich, aber auf einem Friedhof ist es schon ein merkwürdiges Gefühl. Neben mir steht Jeff und grinst, Mary und Kathleen beugen sich vor, um zu sehen, ob dieser Sarg auch wirklich unten bleibt. Immerhin war seinem Nutzer eine Menge zu zutrauen. Daniel liebte es zu überraschen. Einige Friedhofsbesucher schauen schon etwas verunsichert zu uns herüber. Das ist auch nicht verwunderlich bei unserem Verhalten, doch es gibt auch einen triftigen Grund für unser Benehmen. Unsere Vorgeschichte liegt fast 40 Jahre zurück.

Wir waren Kinder jung und frech. Jeff, Daniel, Mary, Kathleen, Susan und ich kamen aus demselben Londoner Stadtteil, Waltham Forest, besser gesagt Walthamstow. Unsere Eltern waren allesamt einfache und ehrliche Bürger gewesen. Auf eines waren wir besonders stolz, unseren Straßenmarkt den angeblich längsten in ganz Europa und der Welt.

Ja, wir waren Rotznasen, unbekümmert und leicht wie ein Blatt im Wind. So wehte uns diese Brise in unser Leben. In der Schule schmiedeten sich unsere Bande enger, wir Jungens waren eine Gang und die Mädels unsere Bräute. Das war Schwachsinn, zugegeben, aber machen wir nicht in unserem Leben öfters Dinge, die wenig Sinn ergeben.

Die Sommer unserer Leben verflogen und irgendwann waren wir schon im Alter von 15 Jahren. Wir Jungens interessierten uns plötzlich für die Röcke und was darunter steckte. Für Jeff und mich ging es dabei mehr um die Theorie. Unser Freund Daniel hingegen war der Meinung er müsste es ganz schnell ausprobieren.

Was er dann auch tat, häufig tat. Er war plötzlich mehr damit beschäftigt Weiber aufzureißen, als sich für die Schule zu interessieren. Eines Tages sprachen wir ihn auf sein Verhalten an, er war mittlerweile an der Schule zum Weiberheld verkommen. Daniel fragte uns. „Ihr seid doch nicht etwa schwul? Wenn nicht, dann macht es halt eben wie ich. Jede Braut einmal, wenn sie besonders gut ist, ein zweites Mal und dann weg damit.“

Während wir betroffen ihm nachstarrten, meinte Jeff. „Wenn er an Susan geht, drehe ich ihm den Hals um.“ Susan? Gab es da etwas, was ich nicht mitbekommen hatte. Ja! Der arme Jeff war total verliebt in Susan. Sie war seine Heilige und seine Einzige. Die zarte Rose und das duftende Jasmin. Ich befürchtete das Schlimmste.

Leider behielt ich recht. Manche Zungen behaupteten er hat sie gegen ihren Willen genommen. Auf jeden Fall hatte er die Rose zerbrochen. Jeff erzählte mir erst an der Beerdigung von Susan, was wirklich passiert war. Ab diesem Tage war Daniel für mich im Grunde gestorben, nein, noch viel schlimmer, meine jugendliche Unschuld war dahin.

Susan hatte sich bei Jeff ausgeheult. Dieser Bastard von Daniel hatte die Kleine geschwängert und danach mit einem supercoolen Spruch in die Wüste geschickt. „Du Schlampe hättest aufpassen müssen, außerdem mag ich keine mit einem Bauch.“ Susan war bis ins Mark tödlich getroffen. Da half auch der Trost durch Jeff wenig.

An einem Spätnachmittag ging es wie ein Lauffeuer durch den Ort Walthamstow. „Susan hat sich auf dem Dachboden erhängt.“

Grausam sind der Menschentriebe zu spielen mit Gefühlen. Allzu oft sie damit verursachen große Qual und Leid.

Es dauerte keine sechs Monate und die Eltern von Susan verstarben. Meine Mutter meinte, die armen Leutchen hätten den tragischen Tod ihrer einzigen Tochter nicht überwunden.

Kurze Zeit später machte mich Mary an. „Willst du eigentlich nur zugucken oder auch irgendetwas dagegen unternehmen? Daniel muss für seine Tat büßen!“

Jeff blies in dasselbe Horn. Ich musste hoch und heilig am Grab von Susan versprechen, dass wir für die Gräber der Toten sorgen und der Tag kommen werde an dem Daniel für seine Tat büßen würde. Natürlich tat ich dies und wie so oft im Leben würde auch dieser Schwur gebrochen werden.

Das war ein gewaltiger Irrtum, dieser Schwur war mächtig und hielt bis zum heutigen Tag.

Wir bahnten uns den Weg in die Welt der Erwachsenen. Jeff wurde Automechaniker mit einer eigenen Werkstatt in einem Hinterhof, wie es eben typisch ist für englische Verhältnisse. Ich wurde Volontär bei einer Zeitung und später Redakteur einer Boulevardzeitung. Kathleen wurde Häusermaklerin und Mary übernahm den Pub ihrer Eltern. Wir wurden demnach ganz normale Menschen bis auf Daniel.

Der wurde natürlich Banker und Börsenhändler und wahrscheinlich der größte Frauenheld Londons. Jeff nahm ihm diesen Lebenswandel schwer Übel, vor allem weil er überall immer die große Fresse riskierte. Es nutzte auch wenig, wenn er Lokalrunden schmiss, er blieb in unserer Welt kein beliebter Mensch.

Daniel wusste es und es war ihm ganz egal. Er kam einfach in unser Pub, spielte uns den großen erfolgreichen Banker und Mann von Welt vor. Manche Armleuchter glaubten seine Sprüche, nur Mary glaubte ihm kein Wort.

Sie lächelte nur und sagte. „Daniel, du bist ein Spieler, Betrüger, Abzocker und ein Liebhaber bist du schon gar nicht!“ Daniel wurde dann verlegen, ein zartes Rouge legte sich auf seine Wangen und er hielt tatsächlich die Klappe. Was wusste Mary, dass wir nicht wussten?

Es sollte noch einige Zeit dauern, bis sie es mir erzählte. In der Zwischenzeit schien London nur noch aus Bankern zu bestehen und Leuten, die Kohle hatten. Jeff meinte, ihm sei dies egal, er verdiene für sich genug Geld. Und die Liebe? Und die Frauen? Es war ein Teufelskreis.

Jeff wollte keine und ich traute mich nicht. Warum? Nun, ich bildete mir ein, es wäre unfair gegenüber dem Freund plötzlich eine Frau zu haben. Wir waren allerdings nicht alleine mit unserem Problem, auch Kathleen und Mary hatten keine Beziehungen. Manchmal geht, das Schicksal eben merkwürdige Wege und was rein zufällig aussah, war Notwendigkeit für die Zukunft. Wer von uns vier Menschen dachte aber an eine solche Möglichkeit? Keiner!

Die Wende brachte ein Freitagabend. Jeff und ich spielten gerade Billard als Mary zu uns kam und meinte. „Vor der Türe steht eine Dame, die hat ein Problem mit ihrem Wagen. Jeff helfe ihr doch bitte.“ Jeff sah mürrisch vom Billardtisch herüber. „Die Werkstatt ist geschlossen! Die soll sich halt einen Abschleppwagen kommen lassen. Außerdem fahre ich gleich wie jedes Wochenende zum Angeln.“ Mary sah mich flehentlich an. Ich bat ihn. „Jeff, tue Mary den Gefallen, helfe der Frau.“ Jeff legte den Queue beiseite und meinte nur. „Ihr zwei seit einfach eine verschworene Bande!“ Ich sah ihn an diesem Abend nicht mehr.

Mary hingegen ging zum Angriff über. „Du fährst bestimmt wie an jedem Wochenende nach Schottland.“ Ich nickte. „Hast du dort eine Freundin?“ Ich nickte und dann kam der Gummiknüppel. „Lüge mich nicht an, du fährst nicht nach Schottland und Jeff auch nicht zum Angeln. Ihr verkriecht euch jedes Wochenende in euren Wohnungen und glaubt der Rest der Welt wäre blind. Ich hätte eine gute Idee für dich, wie wäre es, wenn du zur Abwechslung bei mir bleibst, ich zeige dir dann schon die Bergwelt.“

In jener Nacht erkundete ich ihre Venushügel, danach waren eigentlich alle Unklarheiten beseitigt. Ich erfuhr aber auch den Grund, weshalb Daniel immer schwieg, wenn Mary ihm ein paar Worte sagte. Es war wohl seine größte Schmach gewesen, dass bei Mary ihn seine männliche Größe im Stich gelassen hatte. Wir fragten uns außerdem, weshalb wir solange gebraucht, hatten uns zu finden.

Während ich das Wochenende auf Glückswolken verbrachte, hatte auch mein Freund Jeff den großen Glückstreffer. Seine Dame hieß Kathleen. Ein halbes Jahr später gab es unsere gemeinsame Doppelhochzeit. Wir hatten endlich unser persönliches Glück und die Liebe gefunden.

Es dauerte nicht lange und Daniel tauchte wieder auf. An einem Donnerstagabend stand er plötzlich im Pub und schwafelte von großen Geschäften mit unermesslichen Renditen, nur man müsse schnell sein. Pst, mehr sage er nicht. Wir alle hätten doch noch Geld auf der Kante. Mary gab ihm die passende Antwort. Er spielte einen Mister sehr beleidigt. Schließlich jonglierte er doch so mit den Milliarden. Die passende Antwort gab ihm Jeff. „Wenn du schon mit Milliarden jonglierst, benötigst du unsere paar Kröten nicht. Ich sage dir noch etwas, du bist schneller tot, als du denkst!“

Daniel verließ den Pub und wir hatten ihn an diesem Abend tatsächlich zum letzten Mal lebend gesehen. Der nächste Tag, ein Freitag, wurde ein schwarzer Freitag, düstere Wolken am Finanzhimmel und haufenweise schlechte Nachrichten. Die erste Information betraf den alten Mister Brown, es hieß, er habe sich in seinem Büro in seiner Bank erschossen. Ich wusste sofort, diese schlechte Nachricht hatte mit Daniel zu tun. Einige Stunden später berichteten alle Medienkanäle über das Ausmaß einer gigantischen Pleite in Finanzkreisen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen mehrere Personen. Es hatte einen weiteren Todesfall gegeben, ein Börsenmakler hatte sich erhängt.

Auf dem Friedhof hat der Regen nachgelassen. Ich halte meine Mary im Arm und Jeff hält die Hand seiner Kathleen. Wir haben uns zu dem Grab auf der gegenüberliegenden Seite umgedreht. Mary sagt. „Findet ihr das nicht irgendwie unheimlich, der Mistkerl liegt genau gegenüber dem Grab von Susan.“
Jeff grinst. „Das finde ich vollkommen gerecht, er soll genau hinsehen. Das Mädchen, Daniel, hast du auf dem Gewissen, du allein. Jeden Tag, an dem du auf diesem Friedhof liegst, sollst du daran erinnert werden.“

Kathleen stupst ihn an. „Ich denke es ist langsam Schluss mit dieser Geschichte. Wusstet ihr eigentlich, wenn sich ein Mann erhängt, soll er noch eine Erektion haben.“
Jeff ereifert sich. „ Das heißt doch nicht etwa ...?“
Ich lege meine Hand auf seine rechte Schulter und sage beruhigend. „Lass es gut sein, Jeff. Es ist endlich vorbei. Wir sollten endlich die Vergangenheit ruhen lassen.“

Mary nickt zustimmend. „Kennt ihr den Spruch: Hochmut kommt vor dem Fall! Unrecht gedeiht nicht gut! Was wollen wir mehr, Daniel war der Erfolgreichste von uns, aber sein Glanz hielt nicht. Am Ende hat er alles verloren. Wir sind zwar kleine Leute geblieben aber uns geht es doch gut.“

Wir verlassen den Friedhof, gehen endlich in unsere eigene Zukunft, viel zu lange hat uns die Vergangenheit festgehalten.

© Bernard Bonvivant, Schriftsteller

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Menschen-Schicksale-Leben

Rose

Rose


Eine Rose, rosarot,
so wunderbar zart.
Mit Tropfen benetzt,
ein Moment so schön.
Die Königin der Blüten,
bezaubernd und edel,
welch große Diva,
so meine Auge sie nie sah.


© Bernard Bonvivant, Schriftsteller

Sonntag, 5. September 2010

Die golden Sonne Kaliforniens

Die goldene Sonne Kaliforniens

Ich kam 1823 als Gustav Friedrich von Freyenhausen zur Welt. Früh schon hielten meine Eltern mich für einen Taugenichts. Ich hatte viele Ideen in meinem Kopf doch leider passten sie nicht zu meinem Stande. Im Jahre 1843 hatte mein werter Vater endlich die Schnauze voll von mir. Er buchte ohne mein Wissen eine Schiffspassage in die neue Welt, verfrachtete mich zum Kai. Versehen mit einer bemerkenswerten Abfindung sollte ich mein Glück in der neuen Welt suchen.

Offenbar hatte der alte Herr doch Gewissensbisse seinen zweiten Sohn so einfach in die Welt zu werfen. Zu meiner Schande musste ich eingestehen, es hatte mich nicht im Geringsten gereut zu gehen. Mein alter Herr hatte es dennoch für notwendig gehalten, mich nach Kalifornien zu einem alten Freund zu schicken. Der werte Herr hatte einen Zeitungsverlag in San Francisco.

Ich war bei meiner Ankunft ein wenig enttäuscht, San Francisco hatte nicht einmal 1.000 Seelen zu bieten. Das Amüsement war eher bescheiden und die Damen auch nicht gerade die erste Wahl. In meinem Hotelzimmer waren die Wanzen und es war keineswegs als sauber zu bezeichnen. War ich etwa in der Welt des Teufels gelandet? Nein!

Es sollte noch viel schlimmer kommen, doch dies wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht. So begab ich mich zu meinem Antrittsbesuch bei diesem Verleger. Ich hatte eigentlich eher den Müßiggang und die Lasterhaftigkeit auf meine Fahne geschrieben. Leider musste ich gleich bei meinem Gespräch mit dem werten Verleger einem Schweizer feststellen, mein alter Herr versuchte, diesem Drang einen Riegel vorzubauen. Das Ansinnen an mich war keineswegs unverschämt, ich sollte als Redakteur arbeiten und zusammen mit einem Fotografen vernünftige Artikel für die Zeitungen in Europa erarbeiten.

Der Fotograf hieß Maurice Chevalier und war wie der Name schon andeutete Franzose. Dieser Umstand machte ihn mir gleich sympathisch, ein Franzose verstand zu leben. Ich sollte noch lernen, dass es Unterschiede gibt in der Auffassung, wie man lebte.

Um es kurz zu machen, ich nahm die Herausforderung an. Mein größter Wunsch war es diesem Hotel zu entkommen und so musste ich mir dringend eine standesgemäße Unterkunft suchen. Es sollte sich in meinem Leben ein neues Dach finden auf eine äußerst originelle Art. Während ich wieder einmal enttäuscht von einer möglichen Wohnstätte zurück zu meinem Hotel lief, war das Schicksal an meiner Seite.

Erst roch ich ein angenehmes Parfüm und dann nahmen meine Augen eine Dame wahr. Ja, sie war eine Dame vom Kopf bis zum Fuß. Was ich noch sah, waren zwei Flegel, die sicher nichts Gutes im Sinn hatten. Sie hielten die Dame an und versuchten Ihr den Weg zu versperren, dabei machten sie sehr eindeutige Angebote. Ein Mann mit Ehre und Anstand kann solches Treiben nicht tatenlos geschehen lassen.

Ich stellte mich den Herren vor und bat sie die Dame in Ruhe zu lassen. Es gelang mir dem ersten Schlag auszuweichen und dann stürzte sich einer der beiden Flegel auf mich. Es kam zu einer wilden Rauferei.

Unterdessen wollte der zweite Flegel der Dame unter den Rock fassen. Solches hätte er besser gelassen. Das nachfolgende Ereignis gereichte einer Dame zum Ruf als Miss Unnahbar. Die Dame trat ihn an seine empfindlichste Stelle und schlug ihm mit ihrer rechten Faust an die Schläfe. Der Bursche fiel wie ein Sack zu Boden.

Sein Kumpel ließ von mir ab und starrte überrascht auf den am Boden liegenden Freund. Eine Frauenstimme sagte laut und deutlich. „Wenn diese üblen Burschen nicht Land gewinnen, dann schieße ich euch die Männlichkeit ab!“

Sie hielt einen Revolver in der Hand und das Funkeln ihrer Augen und die Zornesröte in ihrem Gesicht, fand zumindest ich einfach nur toll. Eine Menschenmenge hatte sich mittlerweile gebildet und klatschte Beifall.

Miss Maureen hatte sich Respekt verschafft und nicht nur solches, die Männer ließen sie ab diesem Tage in Ruhe. Während die Menschenmenge sich auflöste und ich aus dem Dreck der Straße auferstand, überkam mich ein gewisses Gefühl der Scham.

Ich klopfte an meiner Kleidung den Staub ab, dann sah ich wie die Dame mich musterte. Verlegen suchte ich dem Blick auszuweichen.

„Herr von Freyenhausen macht es ihnen Spaß sich wie ein Schwein im Dreck zu wälzen?“ Es waren Peitschenhiebe und sie trafen bis auf das Knochenmark. Woher kannte sie meinen Namen? Sie winkte mich herbei, wie einen Lakai. „Folgen sie mir, immerhin ist eine Reinigung von Nöten.“

Ich folgte ihr in ein echtes Haus aus Steinen gemauert, ein herrschaftliches Gebäude. Eine schwarze Perle sah mich kopfschüttelnd an. „Miss Maureen, soll der etwa?“
Die Dame blickte sie streng an. „Ja! Der soll und ich möchte keine weiteren Kommentare hören. Herr von Freyenhausen hat schließlich für meine Ehre gekämpft.“

Ich wurde in eine Badewanne gesteckt, es war das schönste Gefühl seit meiner Abreise aus Europa, wenn ich etwas vermisst hatte; dann war es die geeignete Badestelle. Ich kleidete mich in neue saubere Kleidung. Woher sie kam, war mir in diesem Moment unwichtig. Einige Zeit später führte mich die schwarze Perle in den Salon.

Maureen Ó Cinnéide war die Tochter eines angesehenen Bankers mit irischen Wurzeln. Während ich ihre Schönheit bewunderte, reichte ihr Vater mir die Hand. Ich war so gefangen von diesem Anblick, dass ich dabei meine Umwelt vergessen hatte.

Wir speisten zu Abend und Mister Ó Cinnéide fand die Konversation mit mir sehr angenehm. Bei einem Glas Whisky vor dem Kamin nahm ich die Einladung in seinem Haus zu wohnen dankend an. Diese Entscheidung war wohl die Klügste in meinem ganzen Leben.

Während ich meine zarten Bande zu Maureen webte, brach um uns herum die Hölle los. Innerhalb von nur 2 Jahren wuchs unser San Francisco um das 25-fache. Das Zauberwort hieß Gold. Die Menschen stürmten unsere Stadt und die Kaufleute erhöhten die Preise.

Maurice Chevalier und meine Schreibkunst standen plötzlich hoch im Kurs. Unsere Berichte über den Goldrausch fanden reißenden Absatz. Erstaunlich war dabei, kein einziger Verlag fragte uns, wie es uns möglich war, so viele Nachrichten in die Welt hinauszuposaunen. Alle Welt war nur noch fasziniert von dem glitzernden Gold.

Die Bank von Mister Ó Cinnéide wurde über Nacht zur mächtigsten Bank des Südens Amerikas. Das Leben hatte aber auch Schattenseiten zu bieten, in den Jahren 1849 bis 1851 brannte San Francisco insgesamt sechs Mal ab.

Na ja, nicht die ganze Stadt, aber die ganzen Holzhäuser und die dichtgedrängten Armenbehausungen schon. Maurice und ich hatten uns derweil so in die Arbeit gestürzt und begonnen die Welt mit Nachrichten zu versorgen, wir merkten nicht einmal mehr, wie die Zeit verflog.

Lediglich Maureen erinnerte mich an ein anderes Leben. Maureen hatte es plötzlich unheimlich eilig aus San Francisco zu ziehen. Sie bestand auf die Ehe und ein Haus außerhalb der Stadt. Zugegeben die Ehe war überfällig, nur mit dem Bau eines Hauses außerhalb der Stadt zögerte ich noch. Diese Frau kannte kein Erbarmen, alle meine Einwände wurden von ihr in der Luft zerpflückt.

Am Ende kam es, wie es kommen musste, wir bauten ein neues Haus weit von San Francisco weg. Wir zogen sozusagen auf das Land. Der Alte Ó Cinnéide fand es gut. Mein Freund und Partner Maurice fand es schlecht. Er wollte nicht weg von seiner Stadt.

Die Nächte voller Abenteuer und ständig in den Armen anderer Frauen, hatten ihm die Syphilis beschert. Nun war ich voller Dankbarkeit, Liebe und Wärme für jene Frau, die mir dieses Schicksal erspart hatte. Ich trug Maureen auf Händen, es war mir schlagartig bewusst geworden, welches großartige und einzigartige Geschöpf ich an meiner Seite hatte.

Wir wohnten jetzt auf dem Land und in der Stadt breiteten sich immer mehr die Flöhe und Ratten aus. Die Hygiene war in der schnellwachsenden Stadt kein Thema mehr.

Wie goldrichtig die Entscheidung meiner Frau war, wurde uns im Winter des Jahres 1851 vor Augen geführt. Ein Schreckgespenst hatte die Stadt ergriffen, die Cholera. Der Tod zog durch die Straßen und machte reichlich Beute. Er verschonte auch meinen Freund Maurice nicht.

Des einen Leid ist des anderen Freud. An diesem Spruch stimmt vieles, während ein Großteil der Bevölkerung in Kalifornien verstarb, ging es uns blendend.

Meine Frau gebar vier Kinder und ich hatte endlich beschlossen, anständig zu werden. Ich war in der Bank meines Schwiegervaters zum stellvertretenden Präsidenten aufgestiegen.

Unsere große Zeit kam erst. Wir bauten nun unsere Bank, das Bankhaus Ó Cinnéide & von Freyenhausen zu einer der mächtigsten Banken der Welt. Wir beteiligten uns an Minengesellschaften, Eisenbahnen und Fabrikationen. Die Nähe zum Pazifik brachte uns ebenso auf die Idee, uns eine Schiffsflotte zu zulegen.

So wurden wir ohne selbst nach Gold gesucht zu haben dennoch Gewinner des Goldrausches in Kalifornien.

© Bernard Bonvivant, Schriftsteller, Germany

Samstag, 4. September 2010

Chantal meine Rose

Chantal meine Rose

Es geschah an einem normalen Samstagnachmittag, an einem ganz gewöhnlichen Tag Ende Juli. Ich hatte immer geglaubt wir wären anders, besser in der Beziehung als diese ganzen Zeitreisenden. Ich dachte unsere Beziehung hält ein Leben. War wohl ein großer Irrtum.
Ich hatte Chantal als junge Studentin kennengelernt, sie war aus Biarritz, das liegt an der französischen Atlantikküste, nach Deutschland gekommen.
Wir hatten uns gleich heftig ineinander verliebt. Wir schwebten auf Wolken und trotz unserer bescheidenen Verhältnisse lebten wir wie die Fürsten.
Chantal konnte kochen, sie zelebrierte geradezu die größten Menüs auf unseren bescheidenen Tisch.
Ich verdiente mir während des Studiums mein Geld mit Taxi fahren und Pizza ausliefern.
Meine Chantal hingegen schlug sich immer erfolgreicher als Fotografin durch die Gegend.
Eines Tages eröffnete sie mir, das Studium ist vorbei. Jetzt arbeite sie nur noch als Fotografin. Irgendwie hatte ich damit gerechnet, ich konnte sie mir eigentlich nie so richtig als Anwältin vorstellen.
Ihre Fotos erschienen bald auf den wichtigsten Zeitschriften der Welt. Sie hatte es geschafft, damit sahen wir uns nur noch selten. In manchen Jahren sogar nur alle drei, vier Wochen und in ganz schlechten Jahren, auf dem Flugplatz, während wir entgegengesetzt eincheckten.
Wir haben trotzdem geheiratet, und wie mir schien, waren wir sogar dreißig Jahre glücklich. Bis zu diesem Samstagnachmittag!
Vielleicht sollte ich diesen Tag ganz aus dem Leben streichen. Würde dies etwas ändern? Sicher nicht.

Chantal kam in mein Arbeitszimmer und setzte sich vorsichtig in den Sessel. Leise sagte sie.
„Harald ich muss mit dir reden.“
Ich blickte von meinem Buchmanuskript hinüber zum Sessel, aus dem mich eine bleiche Chantal ansah.
„Was gibt es meine Rose? Du siehst blass aus.“
„Ja, ich fühle mich nicht wohl. Ich fliege Morgen nach Tokio und mache Aufnahmen für einen Automobilkonzern. Auf dem Rückflug lande ich in London. Ich werde wohl für einige Zeit in London bleiben.“
Solche Offenbarungen aus dem Munde meiner Frau war ich gewohnt. Ich verstand nur nicht weshalb sie nicht von London am Wochenende nach Hause kommen wollte.
Schließlich lag London gerade Mal zwei Flugstunden von uns entfernt.
„Du verstehst mich wohl nicht. Ich werde vorerst ganz in London bleiben. Ich habe dafür persönliche Gründe.“
Sie reichte mir ein Foto. Ein junger Mann war darauf zu sehen. Sie nannte seinen Namen und sein Alter, ich habe es nicht gehört und ich wollte es nicht hören.
Mist! Einfach nur Mist! Wie konnte ich nur so naiv sein und glauben wir wären ein ideales Paar. Lächerlich! Wir waren nicht besser oder schlechter, wir waren genauso unfähig, unsere Liebe durch ein Leben zu tragen.
Wer daran die Schuld trägt? Mein Gott, beide und das Leben. Es bleibt nicht, wie es ist, jeder Tag bedeutet Veränderung und jede Veränderung bedeutet Gefahr für die Liebe. Das fiel mir plötzlich wie Schuppen von den Augen.
Wahrscheinlich hatte ich, der seine Frau immer noch liebte, nicht gemerkt, wie sie sich von mir entfernt hatte.
Schweigend stand ich auf, verließ den Raum und ging nach oben in unser Schlafzimmer.
Zum ersten Mal spürte ich mein Alter, zumindest schaffte ich kaum die Treppenstufen hinauf. Mühsam packte ich drei Koffer und wusste überhaupt nicht, wo meine Reise hinging. Ich war gerade fertig geworden, da stand Chantal in der Tür und fragte mich erstaunt.
„Du packst? Was hast du nun vor?“
Ich blickte sie kurz an und mein Herz blieb fast stehen. Der Schmerz war groß und ich hatte das Gefühl mein Herz begann gerade zu sterben. Ein letztes Mal sogen meine Augen diese Frau auf, das kurze, blonde Haar. Die funkelnden, strahlenden Augen, gleich einem Bergkristallsee an einem wunderschönen Sommerabend. Die zarte Haut mit einem leichten Braunton. Diese Lippen, sie luden geradezu zu einem Kuss ein, stattdessen sagte ich nur einsilbig.
„Ich werde in unser Haus nach Livorno fahren.“
Chantal sah mich vollkommen überrascht an.
„Du willst in die Toskana? Was wird aus dem Haus hier, wenn ich nicht da bin?“
Das war mir vollkommen gleichgültig, überhaupt war mir alles egal geworden. Ich hätte tot umfallen können und damit die einfachste Lösung für alle Beteiligte schaffen können.
Nichts dergleichen geschah, da machte der liebe Gott nicht mit. Das Leben hast du dir eingebrockt, löffele es auch bis zum bitteren Rest aus.
Ich ließ meine völlig überraschte Chantal stehen und ging mit meinen drei Koffern aus dem Schlafzimmer.
In der Garage verstaute ich mein Gepäck im Wagen. Danach fiel mir ein, vielleicht holte ich besser aus dem Vorratskeller noch ein paar Konserven mit.
Ich war mir nicht sicher, inwieweit wir noch Vorräte in unserem Haus in Livorno hatten.
Während ich meinen Proviant in den Kofferraum verstaute, stand Chantal hinter mir.
Kennen sie das Temperament der Frauen aus Südfrankreich?
Die Südländer sind mit deutlich mehr Feuer unter dem Hintern ausgestattet als die Nordländer.
„Was denkst du dir eigentlich? Ich werde dir keine Träne nachweinen! Du hast bestimmt eine Andere!“
Blödsinn, sie hatte doch schon einen Neuen, was sollte der Zirkus jetzt noch.
„Was wirst du in Livorno tun?“
Ich sah ein, ich musste ihr schleunigst eine Antwort geben.
„Ich werde auf die Effetto Venezia gehen, das Fest in dem Viertel hat mir schon immer gut gefallen.“
Chantal schaute mich an.
„Du gehst also auf dieses Fest, stimmt, das ist immer Ende Juli - Anfang August. Tue, was du nicht lassen kannst.“
Sie stemmte demonstrativ ihre Hände in die Hüften und ließ deutlich vernehmbar Luft ab. Das war fast, wie das Zischen einer Schlange, bevor sie zum Biss ansetzte.
„Ich werde mir eine Bordatino mit Polenta gönnen, anschließend nehme ich Triglie alla Livornese mit einer würzigen Tomatensauce. Zum krönenden Abschluss leiste ich mir noch ein, zwei, drei Ponce alla Livornese.“
Chantal lachte mich schallend aus.
„Und anschließend hängst du, dank dem starken Kaffee mit Rum, besoffen in der Ecke rum. Ich gebe dir einen guten Rat, lasse auf alle Fälle deinen Wagen stehen. Italienische Gefängnisse sind keine Erholungsheime.“
Was kümmerte sie sich noch um mein Schicksal. Ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte.
„Was machst du nun wirklich in Livorno?“
Ich log sie einfach an, damit ich meine Ruhe hatte.
„Ich recherchiere für ein Drehbuch, das Fernsehen will dort unten einen Film über das Leben der Medici drehen. Immerhin stellte für die Florentiner der Hafen von Livorno, einen der wichtigsten Zugangswege zum Meer dar. Ich habe den Auftrag das Buch zum Film zu liefern.“
Chantal sah mich traurig an.
„Dann ist ja alles klar!“
Ich nickte und stieg in meinen Wagen und fuhr an einem späten Samstagnachmittag aus meinem bisherigen Leben davon.
Klar war überhaupt nichts und ich gebe es auch unumwunden zu, ich heulte auf der Autobahn meiner großen Liebe nach. Noch schlimmer, immer wieder starrte mich dieser traurige Blick meiner Frau aus dem Rückspiegel an. Ja, ich liebte diese Frau, noch immer und ich hätte ihr sogar ohne Probleme eine Romanze verziehen. Wir hatten zwar nie über Treue gesprochen, doch für meinen Teil, war ich noch so verliebt in meine Chantal wie am ersten Tag.
Warum kämpfte ich dann nicht?
Ich wollte mir meine Liebe nicht nehmen lassen, besser eine Liebe im Herzen still mit sich tragen, als einen gigantischen Scherbenhaufen zu hinterlassen.
Jeder Kilometer meiner Fahrtstrecke trug mich scheinbar ein Stück weiter von ihr fort.
So fuhr ich an einem Sonntagmorgen in der Frühe, auf den Weg, zu unserem Haus in Livorno.
Im Süden ist das Leben anders, es ist irgendwie leichter.
Ich stieg aus dem Auto aus, ging zur Terrasse unseres Hauses. Das Haus liegt an der Steilküste zwischen Livorno und Quercianella.
Ein herrlicher Blick auf das Meer und die Sonne strahlte an diesem Sonntagmorgen und ich bildete mir ein, mein Leben wäre gut.
Ich packte meine Koffer aus und stellte zu meiner Zufriedenheit fest, unser Vorratskeller war gut bestückt, sogar die Tiefkühltruhe war voll.
Das hätte mir zu denken geben müssen!
Stattdessen nahm ich, was ich brauchte und bereitete mir in der Küche etwas zu essen. Natürlich hatte ich mir eine Flasche Rotwein geöffnet. In dieser Gegend war es der Chianti, von der Sonne verwöhnt, half er über meinen Weltenschmerz hinweg.
Es war mir nicht nach Feiern, es war mir nicht nach saufen; aber irgendwie musste dieses Leben doch weitergehen.
Ich setzte mich auf die Terrasse und würde dort vielleicht auch sterben, ja ich würde für den Rest meines Lebens einfach hier bleiben, sollte mir die Welt dort vor der Tür doch den Buckel hinunterrutschen.
In meinen Laptop hämmerte ich, in den nächsten Tagen und Wochen, die Geschichte von meiner Frau und mir.
Ich sparte keine Details, nicht den Sex im Garten oder in der Flugzeugtoilette. Das wir in den USA fast im Gefängnis gelandet wären, weil wir uns nicht an die Missionarsstellung gehalten hatten. Ich sparte auch nicht die Stelle aus, als wir fast im Parkhaus eines Flughafens erwischt wurden. Ein Leben zwischen Tür und Angel, läuft nun Mal nie ganz normal ab.
Die beste Therapie scheint immer noch die Arbeit zu sein.
Mein Leben aber verdanke ich wohl, Lorenzo und seiner Frau Maria. Die guten Seelen hatten nach dem Haus und dem Garten gesehen und mich dabei schlafend auf dem Terrassentisch vorgefunden.
Maria ist fast erschrocken, so viele leere Flaschen. Sie meckerte, wie ein Mensch nur so unvernünftig sein könne. Ja, ich hatte natürlich den Tag und die Nacht nicht mehr unterschieden.
Wie konnte ich besoffen noch schreiben?
Ich weiß es wirklich nicht! Es waren eine Menge Korrekturen erforderlich, als ich wieder nüchtern war.
Obwohl Maria für mein leibliches Wohl sorgte, mein Herz war tot. Ich liebte immer noch meine Chantal und jeder Tag wurde für mich zu einer neuen Qual.
Ihr Duft schwebte durch den Raum, jede Kleinigkeit erinnerte mich an sie und dann wusste ich plötzlich wieder, warum ich so gesoffen hatte.
Auf unserem Kamin stand das Foto von diesem Milchgesicht!
Ich brachte es nicht über das Herz, dieses Foto gegen die Wand zu schleudern und es in Stücke zu schlagen.
Das kam mir irgendwie nicht gut vor. Ich denke, das versteht keiner; aber ich liebte meine Frau. Ich wollte ihr nicht wehtun.
Es war gut sechs Wochen später und der September brachte die ersten zarten Hinweise auf den nahenden Herbst.
Mein Leben war nicht besser geworden, ich versuchte krampfhaft einen Neuanfang zu finden; aber irgendwie schwebte ich in einem luftleeren Raum. Alle Versuche von der Stelle zu kommen, scheiterten kläglich.
Am Sonntag der dritten Septemberwoche geschah es. Meine Angst vor diesem Zusammentreffen hatte mich die ganze Zeit festgehalten.
Vor mir stand die blühende Rose und ich war die eingehende Primel.
Es war soweit, das Grand Finale unserer Beziehung läutete sich ein. Sie war gekommen und sicher wollte sie die Scheidung.
Ich stand an der hohen Mauer und blickte hinab auf das Meer, während sie in meinem Rücken stand.
„Kriege ich nicht einmal einen Begrüßungskuss nach so langer Zeit?“
Das wagte sie sich, mich zu fragen? Ich traute meinen Ohren nicht, sollte sie sich doch mit ihrem Jüngling abgeben.
Ich drehte mich um ging auf sie zu und gab ihr links und rechts einen zarten Hauch auf die Wange.
Das schmerzte mich nun noch viel mehr, immerhin hat sie eine zarte Haut und sie roch so wunderbar, auch ohne ein Parfüm. Obwohl sie meist einen leichten Hauch von Chanel dezent hinter ihre Ohren legte.
„Was ist eigentlich los mit dir, Harald? Ich verstehe die Welt nicht mehr. Bist du etwa sauer?“
Das war wohl der Gipfel.
„Ich und sauer, keineswegs. Ich gönne dir dein Glück von Herzen! Du hast es dir verdient, meine Rose.“
Chantal setzte sich auf einen der Terrassenstühle schlug die Beine übereinander. Das tat sie immer, wenn sie mich reizen wollte und sie verstand es, mich immer in ihren Bann zu ziehen. Ich war einfach verrückt nach ihr.
„Sonst haben wir erst einmal Sex gehabt nach so langem Entzug. Willst du mich etwa bestrafen?“
Ich war baff, ich war schockiert, ich war erregt.
Tja, es war mir egal und wie. Ich flog auf meine Frau zu und dann küssten wir uns, leidenschaftlich hemmungslos wie immer. Wir rissen uns gegenseitig die Kleider vom Körper und liebten uns auf den Marmorfliesen unserer Terrasse. Es war voller Erregung, Zärtlichkeit und Vertrautheit. Wir verschmolzen miteinander und in ihrer Erregung, zerkratzte sie mir den Rücken.
Anschließend lagen wir nackt nebeneinander auf den Fliesen und starrten in den Himmel.
„Kannst du mir jetzt endlich sagen was los war Harald?“
„Dein jugendlicher Held hat mich leicht aus der Fassung gebracht.“
Chantal kicherte wie ein junges Mädchen.
„He, du bist ja eifersüchtig. Mein Gott, ist das süß. Eine größere Liebeserklärung kannst du mir gar nicht machen.“
Ich schaute sie voller Überraschung an.
Sie zwickte mich in die linke Brust.
„Blödmann! Das war Mark, der Junge auf den ich die ganzen Jahre aufgepasst hatte, nach dem Tod seiner Mutter.
Leider war ich darin nicht so gut, er ist letzte Woche an Aids gestorben.“
Ich schaute meine Frau an.
„Du meinst, es war der Sohn von diesem Modell, Alexandra?“
„Ja, genau der, du Dummerchen. Ach ich liebe dich, du hast aber auch manchmal verrückte Ideen.“
„Chantal?“
„Ja, mein Liebster.“
„Wollen wir nicht endlich einmal einen langen gemeinsamen Urlaub machen.“
„Au fein, was würdest du zu einer Kreuzfahrt um die Welt sagen?“
Ich lachte und gab ihr zärtlich eine Kuss.
„Ich fahre mit dir überall hin, meine Rose.“
Chantal grinste erfreut.
„Im Moment reicht mir die Kreuzfahrt, die habe ich nämlich schon gebucht. Eine ganze Suite für uns allein.“
Ich erhob meinen Oberkörper und stellte fest, aus dieser Position konnte ich nicht das Meer sehen. Damit war die Frage für mich geklärt, wir fuhren um die Welt.
Übrigens das Glück hat uns auch auf dieser Kreuzfahrt nicht verlassen. Wir nehmen uns jetzt endlich die Zeit für unser gemeinsames Leben und es war noch nie so schön und verrückt wie heute.

© Bernard Bonvivant

Autor des Romans « Das Chaos »

Eine Liebe in Frisco

Eine Liebe in Frisco

Es war an einem 12. Oktober, als ich Deutschland für immer den Rücken kehrte. Meine Entscheidung stand fest und mit ihr auch mein Weg. Ein alter Kumpel aus Kalifornien hatte sich an mich erinnert und behauptete, er schulde mir noch einen Gefallen. Um ehrlich zu sein, ich konnte mich nicht daran erinnern.

Die Idee mir einen Job in Kalifornien anzubieten, ausgerechnet in meiner Lieblingsstadt Frisco war aber so verlockend, dass ich dem Ruf folgte. Mein Freund hatte mir sogar die Greencard besorgt. Im Leben passieren manchmal eben merkwürdige Dinge, am Vortag noch eine Wand voller Hindernisse und am nächsten Tag heiterer Sonnenschein.

Ein Lächeln auf den Lippen passierte ich die Kontrollen und begab mich in den Warteraum. Die nächste Zeit verbrachte ich mit der Beobachtung meiner Mitreisenden. Irgendwann wurde der Schalter geöffnet und die Menschen beeilten sich, ihre Sitzplätze zu ergattern. Ich schaute dem Treiben zu und wartete bis zum Schluss. Im Grunde war mir egal, wo ich sitzen würde. Zu meiner großen Überraschung hatte ich aber ohne große Anstrengung einen guten Sitzplatz abbekommen. Ich lief hinter der Herde her und folgte in das Flugzeug.

Was dann geschah, dazu gab es später die unterschiedlichsten Versionen, das Ergebnis selbst wurde davon nicht abgeändert. Ich hatte jedenfalls einen Moment nicht aufgepasst und dann hielt ich plötzlich etwas in meinen Armen. Es war weich, zart, duftete angenehm und hatte die schönsten Augen dieser Welt. Wer von uns wen küsste? Wir haben übereinstimmend ausgesagt wir wollten es gemeinsam. So trafen sich unsere Münder und ich wollte nicht mehr loslassen, bis mich eine Hand an meiner Anzugjacke zog.

Augenblicklich trennten sich unsere Leiber und ich blickte ein wenig verärgert in das Gesicht einer blonden Stewardess, es war Charlotte Hanson. Sie lächelte mich freundlich an und sprach leise. „Ihr zwei Verrückten habt wohl den Verstand verloren. Sie können doch nicht einfach unsere Chefstewardess küssen. Was sollen den die Passagiere denken? Falls so etwas einer mitkriegt und sich beschwert, ist Helen ihren Job los. Verschiebt euer amouröses Abenteuer auf San Fransisco. Wir haben dann 3 Tage frei.“

Ich hatte nicht nur weiche Knie, auf dem Weg zu meinem Platz, ich spürte auch nicht vorhandene Blicke. Helen hingegen verzauberte mich total, sie lachte mich an und jeder unserer Blicke entführte uns tiefer in eine neue betörende Liebe. Während des langen Fluges hielt ich immer wieder Ausschau nach ihr und sie kam auch immer wieder rein zufällig an mir vorbei. Das konnte irgendwie nicht wahr sein, hatte ich doch die feste Absicht mir keine neue Beziehung einzuhandeln. Stattdessen war ich schon wieder mittendrin in einer Geschichte, die am Ende doch wieder nur Schmerzen und bittere Tränen bereithielt.

Nein! Dieses Mal war es anders zumindest glaubte ich es so. Eine Flugstunde vor Frisco stand Helen neben mir und tippte mich an. Sie hielt einen Zettel in der Hand und beugte sich zu mir herab. Am liebsten hätte ich sie geküsst, rechtzeitig gingen aber noch die Warnlampen an. Ich öffnete meine rechte Hand und sie ließ ihre rechte Hand langsam über die Meinige gleiten.

Das war wie Elektrizität, eine unglaubliche Woge an Gefühlen überkam mich. Augenblicke später war Helen schon wieder davon geschwebt. Verstohlen blickte ich mich um, der Typ neben mir schnarchte und die anderen Passagiere hatten diesen Moment ebenso wenig beobachtet. Behutsam nahm ich den Zettel und faltete ihn auseinander. Es war eine genaue Beschreibung an welcher Stelle am Flughafen der Wagen von Helen stand. Sicherheitshalber hatte sie mir sogar eine Adresse und die Telefonnummer aufgeschrieben.

Ich nickte wissend, die Würfel waren gefallen und einen Ausweg würde ich erst gar nicht suchen. Einige Zeit später setzte die Maschine zur Landung an und wie so oft bei Flügen brandete der Beifall der Passagiere durch das Flugzeug. Ich verließ die Maschine zehn Minuten später. Charlotte Hanson fragte leise. „Und gibt es ein Happy End?“ Ich nickte nur. Sie sagte.„Ich wünsche euch viel Glück.“

Ich machte mich mit meiner Greencard und meinen Koffern auf den Weg in meine neue Heimatstadt. Was soll ich sagen, ich wurde herzlich begrüßt. Die Formalitäten waren innerhalb kurzer Zeit erledigt und ich stand sehr schnell vor den Türen des Airports.

Ich nahm meinen Zettel aus der Jackentasche, er roch nach ihrem Parfüm. Helen hatte mir extra eine kleine Zeichnung gemacht, damit ich mich auch nicht verlaufen konnte. Irgendwie war ich eine Viertelstunde später richtig stolz auf mich. Es war mir gelungen das Fahrzeug zu finden doch von Helen fehlte jede Spur. Ich stellte meine Koffer ab und wartete.

Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir, und bevor ich sie sah, roch ich ihr Parfüm. Ein Lächeln von ihr und ich schmolz dahin, wie Eis in der Sommerhitze. Wir nahmen uns in den Arm und küssten uns, während hinter uns ein paar Leute in die Hände klatschten. Es waren Charlotte Hanson, Der Flugkapitän Richard King und der Copilot Jeff Brown. Richard King reichte mir die Hand. „Ich habe keine Ahnung und ich weiß auch nicht das Geringste, das bedeutet, es wird auch keine Meldung geben. Wenn Sie mir aber meine Helen unglücklich machen, dann steige ich ihnen persönlich auf das Dach. Ich hoffe Sie haben mich verstanden.“ Der Mann meinte es gut und dafür dankte ich ihm.

Helen wohnte in einer schönen Wohnung nahe Fisherman‘s Wharf. Das gefiel mir gleich, ich liebe dieses Viertel, die Nähe zur sauberen Bay, die vielen Verkaufstellen an denen Fische und Meeresfrüchte verkauft werden. Der Geruch des Wassers und nicht zu vergessen Ghirardelli Square, die alte Schokoladenfabrik. Ich hatte hier schon so manche Stunde gesessen bei einem Kaffee und der Musik gelauscht. Das waren schon einzigartige Momente, wenn eine Band aus der Karibik Reggae Feeling verströmte und es passte. Das Wetter, die Laune und vor allem die Einstellung. „Take it easy“.

An jenem Tag hatten Helen und ich aber sicher keine Augen für die Schönheiten dieses Viertels, wir hatten ausschließlich Augen nur für uns. Wir erkundeten uns, betörten und berauschten uns, brachten Gefühle und Zärtlichkeit zum Ausdruck. Ich konnte mich nicht erinnern jemals in meinem Leben so ein Glück empfunden zu haben.

Am nächsten Tag erkundigte sich Helen vorsichtig, wie ich mir mein weiteres Leben vorstellen würde. Ich könnte durchaus, wenn ich wollte, eine Zeit bei ihr wohnen. Die Wohnung war groß, sie bot durchaus die Möglichkeit, für zwei Personen, ohne Probleme darin zu wohnen. Kurz entschlossen sagte ich ja und wir wussten es war ein Ja zum Leben und zur Liebe. Wir verbrachten den Samstag und den Sonntag miteinander.

Am Montagmorgen brachte ich meine Liebe zum Flughafen. Mein Weg führte mich anschließend zu Jacob Simon, sein Büro lag im Stadtteil Soma. In diesem Teil der Stadt lagen die Galerien und wurden Geschäfte der Künstler abgewickelt. Jacob freute sich, mich endlich zu sehen.

„Ich dachte, du besuchst uns am Wochenende, stattdessen warst du nicht einmal in deinem Hotel anzutreffen. Wo bist du bloß abgeblieben?“ „Jacob, es hat mich voll erwischt, ich bin mitten in einem Liebeshoch.“

Jacob schlug die Hände zusammen. „Ach du Scheiße! Bist du blöd, das kannst du doch nicht machen. Bist du Schriftsteller und kein Casanova! Habe ich dir eine gute Partie ausgesucht, eine echte Dame mit viel Geld.“ „Du hast, was?“ „Ja, hörst du richtig, habe ich gespielt den Kuppler. Musst du werden groß und reich, glücklich sein in den Armen einer Frau wird nicht reichen. Du bist in Amerika, da musst du anders denken.“

Ich nickte, solches war mir zwar bekannt, doch gegen die wahre Liebe ist nun einmal kein Kraut gewachsen. Ich erzählte ihm meine ganze Geschichte. Während meines Vortrages wurden seine Sorgenfalten immer länger. Das wunderte mich nicht, wie sollte auch ein so anständiger Mensch, wie er es nun einmal war, einen temperamentvollen Freigeist wie mich verstehen.

Zum Lunch waren wir mit meinem neuen Auftraggeber einem der bekanntesten Fernsehproduzenten der Welt verabredet. Entsprechend dem Anlass trafen wir ihn im besten Lokal der Stadt in Chinatown. Vor vielen Jahren hatte ich schon einmal hier diniert mit einem Menschen der in meinem Leben einst eine große Rolle gespielt hatte. Leider war er vor einigen Jahren verstorben und ich musste zu geben, einen Mäzen oder Sponsor zu finden war schon immer schwer und in der Kunst der Worte noch schwerer.

Dieses Restaurant war ein guter Ort, wir wurden uns handelseinig und ich mit einem Schlag endgültig alle finanziellen Sorgen erst einmal los. Ich war mittendrin im Puls des Business und mit einer festen Serie und einem Job als Ideenfinder vorerst in einer sicheren Zone. Jacob Simon war sehr zufrieden, nur das Thema mit der von ihm ausgewählten Dame, da musste noch eine Lösung her.

Er ließ mir in den nächsten beiden Tagen keine Ruhe und so gab ich nach, traf mich mit der Dame zum Lunch, ging mit ihr spazieren und besuchte Galerien. Eine weitere Annäherung gab es aber nicht und ich erzählte es meiner Helen am Telefon.

Diese Entscheidung war weniger klug, Helen bekam die Nachricht wohl in den falschen Hals. An dem Wochenende hatte ich jedenfalls schon den ersten Scherbenhaufen zu kitten, doch es gelang mir mit Engelszungen und sehr sorgfältig gewählten Worten.

Die Wolken über unserem Liebesglück verzogen sich und die Sonne beschien unser Glück. Der Winter kam und auch der Frühling zog ins Land, der Erfolg war auf meiner Seite. Es war mir sowohl der gesellschaftliche Aufstieg wie auch die feste Beziehung gelungen. Im Sommer wurde Helen immer stiller. An einem schönen Sommerabend saßen wir in einem Fischrestaurant am Pier. Ich sah dem Treiben im Wasser zu, den Faulpelzen auf den Felsen und den kreischenden Seemöwen und hielt dabei die Hand von Helen.

War es der Augenblick, der Zauber jenes Abends, Helen sprach plötzlich über ihre Ängste und Sorgen. Ich sah in ihre Augen und mir wurde bewusst es war etwas sehr wichtiges. Meine kleine Fee hatte plötzlich Angst vor dem Fliegen, erzählte von Alpträumen und einem Absturz ihres Flugzeuges. Sie erzählte von Leichen und dem Geruch von Kerosin, den im Wasser umhertreibenden Wrackteilen. Es war so real, ich gebe zu, ich war geschockt.

Ich verstand ihre Bedenken und am liebsten hätte ich sie nicht mehr in ein Flugzeug gelassen. Es gab ein klärendes Gespräch mit der Airline und Helen wurde zum Bodenpersonal versetzt. Sie durfte sogar in San Francisco bleiben und darüber freuten wir uns wie die Kinder. Im Gegenzug wechselte ihre alte Freundin, Susan Miller, zurück in die Kabine.

Susan hatte ihren Mann verloren, er war tödlich verunglückt bei einem Fallschirmabsprung. Helen war überglücklich, sie lebte geradezu wieder auf. Plötzlich war wieder auf ihrem Gesicht, das Strahlen und der liebevolle Blick zu sehen.

Ich hingegen verstand nicht so ganz, was dieser Tausch sollte. Susan hatte zwei kleine Kinder, für die wir jetzt sorgten. Helen hingegen entwickelte sich immer mehr zur Glucke. Ich trug es mit Fassung. Wir bezogen ein Haus in Sausalito. Ich suchte in der ganzen Geschichte einen Haken, doch ich fand ihn vorerst nicht.

An einem Septembernachmittag kam die Wende. Deborah, die vierjährige Tochter von Susan, kam mit ihrer Puppe im Arm in mein Arbeitszimmer marschiert. Sie blieb vor mir stehen, schaute mich mit großen fragenden Augen an. Ich hörte mit meiner Arbeit am Computer auf, es waren sowieso nur noch ein paar Kleinigkeiten zu ändern in meinem Manuskript.

„Deborah, was gibt es? Wenn du dich so vor mir aufbaust, dann hast du meistens eine Menge Fragen an mich.“ Die Kleine nickte mit dem Kopf. „Gibt es einen Himmel? Ich meine, wo meine Mama doch tot ist, die wird doch sicher ein Engel, der auf mich aufpasst.“

Erschüttert sah ich auf die Kleine herab. „Wie kommst du auf die Idee, deine Mutter wäre tot? Deine Mama ist mit dem Flugzeug unterwegs.“

Das Mädchen legte ihre Puppe auf meinen Schreibtisch. „Ich weiß es, ich habe es gesehen. Mama ist tot, das Flugzeug ist abgestürzt. Mama hat mir auch gesagt zu Hause liegt ein Brief für euch. Ich denke wir sollten ihn holen. Mama hat gesagt ihr werdet uns adoptieren.“

Es gibt Momente im Leben, die einen geradezu zur Sprachlosigkeit verdammen, selbst ein hartgesottener Autor bleibt dann still. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und ich wusste nicht, wie ich es ausdrücken sollte. Helen war gerade vom Flughafen gekommen und hatte in der Tür stehend das Gespräch mitbekommen. Sie sprach in die Stille.

„Ich weiß Deborah, wir werden das Schreiben abholen. Es ist etwas Schreckliches passiert!“ Sie nahm die Kleine auf den Arm, verließ wortlos das Haus.

Ich schüttelte den Kopf, starrte hinaus auf den Pazifik. Meine kleinen grauen Hirnzellen weigerten sich, dieses Drama verstehen zu wollen. Es schien als wären Stunden vergangen, in Wirklichkeit waren es nur 120 Minuten. Während ich noch die Antwort auf dem Pazifik suchte, hielt mir Helen den Brief unter die Nase.

Ich las ihn zweimal und sicherheitshalber noch ein drittes Mal. Wie konnte ein Mensch wissen, wann er starb? Susan beschrieb ihre Vorahnung, dass sie bewusst mit Helen getauscht hatte. Sie hatte sich gewünscht zu ihrem toten Mann zu gelangen. Diesen Tod hatte sie einfach nicht verkraftet. Ihre beiden Kinder wusste sie bei ihrer Freundin Helen in besten Händen. Wir sollten den Kindern eines Tages dieses Drama erklären.

Ich ließ den Brief sinken und mir wurde schlagartig bewusst, welches große Glück Helen gehabt hatte. Auf der Trauerfeier für die Toten Mitglieder der Crew war meine Überraschung riesengroß. Ich traf auf Charlotte Hanson, den Flugkapitän Richard King und den Copiloten Jeff Brown, alle diese Personen hatten sich bereits seit einigen Wochen in schwersten persönlichen Krisen befunden, weshalb sie ihren Dienst nicht antraten. Sie wurden von den gleichen Alpträumen verfolgt.

Wir wussten, so etwas passte in kein normales Erklärungsmuster, Psychologen würden die unterschiedlichsten Begründungen finden, doch für uns alle spielte dies keine Rolle.

Helen und ich haben geheiratet. Wir haben die beiden Kinder von Susan adoptiert. Wir leben immer noch glücklich in unserem Haus in Sausalito. Wir treffen uns regelmäßig mit den anderen Überlebenden des Katastrophenfluges, deren Glück darin bestand, der eigenen Intuition gefolgt zu sein. Charlotte Hanson wohnt mittlerweile in unserer Nachbarschaft und Richard King lebt auf einem Hausboot. Jeff Brown lebt mit seinem Freund in unserer alten Wohnung nahe Fisherman‘s Wharf.

Fragt uns einer, wo die Liebe liegt, dann antworten wir in Frisco.

© Bernard Bonvivant, Schriftsteller, Germany

Autor des Romans "Das Chaos"